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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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vielleicht ein paar Jahre überspringen, damit sie irgendwann im selben Alter waren. Vielleicht könnte Grace sogar den Platz der dummen Lydia im Schulzimmer einnehmen, und der Unterricht ginge mit mehr Ernst und weniger Unterbrechungen vonstatten. Jetzt konnte Rose das übliche Theater in der Diele hören, als jemand die Eingangstür öffnete und gleich darauf eine dünne, sehr hohe Stimme sich lautstark beschwerte.
    »Meine Güte!« Lydias Quieken erreichte vor ihr das Schulzimmer. »Was für ein Wetter da draußen! Ich kann dir sagen!« Sie hob die Hand an ihre blonden Locken, als wollte sie überprüfen, ob sie noch da waren. »Mama wollte nach der Kutsche schicken, aber die war mit einem unserer Gäste bereits unterwegs, weißt du? Also mussten wir zu Fuß gehen.«
    Sie tat gerade so, als habe sie einen beschwerlichen Weg hinter sich, dabei brauchte sie nur um die Ecke zu gehen und ein kleines Stück weiter die hohe graue Fassadenreihe entlang, zu der Roses Haus gehörte. Wie, lag Rose auf der Zunge, wollte Lydia zurechtkommen, wenn sie um den Globus wandern musste?
    »Ich habe nicht die geringste Absicht, so etwas Albernes zu tun!« Lydia funkelte sie über den polierten Holztisch hinweg an, als hätte Rose sie an ihren Locken gezogen, was sie bei Gelegenheit tatsächlich liebend gern tun würde. »Sei nicht so gemein!«
    Du liebe Zeit! Die Augen der dummen Gans füllten sich mit Tränen, aber Rose wusste, wie echte Tränen aussahen. So wie die, die Mama in den Augen hatte, wenn Rose unerwartet ihr Zimmer betrat, die Art von Tränen, die sie schnell wegwischte und die sie darauf schob, dass sie wieder einmal am offenen Fenster gesessen hatte, was Rose ihr bitte nicht nachmachen solle, oder sie werde sich erkälten.
    »Meine Damen!«
    Beide verstummten sofort und setzten sich kerzengerade auf. Selbst Lydia wusste, dass es nicht ratsam war, Miss Hollingswood zu ärgern, die in ihrem strengen grauen Rock, der steifen weißen Bluse und der beige-braunen Brosche am Stehkragen keinen Unfug duldete. »Worüber, wenn ich fragen darf, streiten Sie sich heute schon wieder?«
    »Über Lydias Locken.«
    »Über Geografie.«
    Beide antworteten gleichzeitig, aber Lydias Stimme mit ihrem hohen, schrillen Klang übertönte ärgerlicherweise die von Rose. »So, so, über Geografie«, sagte Miss Hollingswood und neigte den Kopf zur Seite, wie so oft, wenn sie amüsiert war. »Wie tröstlich! Ich ermutige also meine Schülerinnen zu intellektuellen Debatten. Dann sagen Sie mir, bitte: Über welchen speziellen Aspekt dieses glorreichen Themas haben Sie denn diskutiert?« Ihre Augen, ein freundliches warmes Kastanienbraun, das zu den Bäumen draußen passte, funkelten mehr denn je. Rose fragte sich oft, warum ihre Gouvernante nie geheiratet und eigene Kinder bekommen hatte mit so hübschen Augen wie diesen. Ga Ga sagte, das liege daran, dass die arme Frau sich ihren Lebensunterhalt verdienen musste.
    »Um den Globus wandern!« Die hohe Stimme ihrer Mitschülerin war nun so durchdringend, dass Rose sich wunderte, dass der edle, goldgerahmte Spiegel über dem Kaminsims hinter ihnen nicht zersprang. »Sie hat gesagt, ich soll mich nicht beschweren, weil ich zu Fuß hierherkommen musste, und dann hat sie gefragt, wie ich zurechtkommen will, wenn ich um den Globus wandern muss.« Lydias Augen funkelten vor Abscheu. »Als würde ich mich jemals mit so etwas abgeben. Es ist ja nicht so, als müsste ich mir meinen Lebensunterhalt selbst verdienen wie Sie.«
    Das Keuchen drang aus Roses Mund, bevor sie es verhindern konnte. Wie taktlos! Wie unglaublich taktlos von Lydia, ihre Gouvernante so in Verlegenheit zu bringen. Auf Miss Hollingswoods Wangen bildete sich nun jeweils ein kleiner roter Fleck, und das eintretende Schweigen, kurz unterbrochen von Roses Keuchen, schien selbst Lydia zum Verstummen zu bringen, der allmählich zu dämmern schien, was für einen Fauxpas sie gerade begangen hatte.
    »Und wie steht es mit Ihnen, Rose?« Das Funkeln war aus den Augen ihrer Gouvernante verschwunden, und ihr Ton war täuschend unbeschwert. Täuschend auf eine Art, die Rose zuvor bei anderen Erwachsenen beobachtet hatte. Stimmen, hatte sie daraus geschlossen, waren wie die Farben auf Ga Gas Palette. Manchmal gaben sie vor, ganz andere Farben zu sein. »Beabsichtigen Sie, um den Globus zu wandern?«
    Rose nickte und hoffte, dass man in ihrem Gesicht lesen konnte, dass sie nicht so dachte wie dieses dumme Mädchen, mit dem sie ihre Seite des Tischs

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