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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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teilte. »Das tue ich, Miss Hollingswood.« Ihre Finger streckten sich nach dem Globus, nach dem wundervollen Rosa, das sie an den Pudding des Kochs erinnerte, nach dem hellen Grün, das Mama manchmal trug, wenn sie für Ga Ga Modell saß, die einzige Zeit, in der sie aufrichtig glücklich zu sein schien, und nach dem leuchtenden Gelb, das Rose an die Wände im Salon erinnerte, wo Papa immer mit seiner Zeitung saß, während Mama nähte oder eine Zeitschrift las, in der Bilder von Pferden waren.
    »Ja, ich möchte jeden Zentimeter der Welt begehen! Ich möchte all die fremden Länder erforschen und mit so vielen Menschen sprechen, wie ich kann.«
    »Aber Rose!« Lydias Stimme klang, als hätte sie sich gerade die Hände schmutzig gemacht. »Wie willst du denn dann heiraten?«
    Rose hatte sich das bereits selbst gefragt. Wenn sie jemals heiratete beziehungsweise falls überhaupt, dann einen Mann, der sie zum Lachen brachte, und nicht einen, dessen Frau nur lächelte, wenn sie porträtiert wurde. »Ich weiß nicht, ob ich das jemals tun werde.«
    Das Keuchen, das nun von Lydia kam, hätte den Globus in Bewegung versetzt, hätte sie die Luft ausgeatmet statt eingesogen. »Aber du musst heiraten. Du musst einfach.«
    Die Flecken auf Miss Hollingswoods Wangen begannen zu leuchten. Sah das dumme Mädchen das nicht? »Falls ich heirate«, sagte Rose und vermied es, ihre Gouvernante anzusehen, »dann nur einen Mann, der Jim heißt. Ich weigere mich schlicht, jeden anderen Bewerber zu ermutigen.«
    Miss Hollingswoods Augen begannen wieder zu funkeln. »Jim? Und wer, bitte, ist Jim?«
    Rose drehte den Globus vor ihr auf dem Tisch, um sich Zeit zu verschaffen. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nicht kennengelernt, aber ich mag diesen Namen. Er passt zu einem Mann, der freundlich ist und einen Sinn für Abenteuer hat.«
    Ihr Blick fiel auf die in dunkelrotes Leder gebundene Bücherreihe hinter Miss Hollingswood. Sollte sie zugeben, dass sie alle gelesen hatte, obwohl es verboten war, Papas Bücher anzurühren? Sie enthielten Berichte berühmter, mutiger Forscher, die derart spannend waren, dass man die Seiten so schnell wie möglich umblätterte, um den Ausgang zu erfahren. Der Entdecker, den sie am meisten bewunderte, war ein Mann namens Jim, dessen Familiennamen sie aufgrund der recht eigenartigen Schreibweise nicht aussprechen konnte. Bis jetzt hatte sie nie in Betracht gezogen, einen Jim zu heiraten, aber plötzlich ergab es einen Sinn.
    »Ich verstehe.« Miss Hollingswood schlug nun ihre Bücher auf und gab ihren Schülerinnen das Zeichen, ihrem Beispiel zu folgen. Die Unterhaltung über zukünftige Ehemänner und Wanderungen durch rosarote Puddinglandschaften war eindeutig beendet. Lydia würde sich nachher garantiert bei ihrer Mutter beschweren, die daraufhin ihr Missfallen gegenüber Mama oder sogar gegenüber Papa zum Ausdruck bringen würde. Rose zuckte mit den Achseln. Das wäre nicht das erste Mal. Sie würde es einfach hinnehmen müssen.
    Warum, fragte sich Rose, dauerte es immer so lange, bis man Geburtstag hatte? Seit dem Vorfall im Schulzimmer waren mindestens drei Wochen vergangen, und zu ihrer großen Erleichterung hatte niemand ein Wort darüber verloren. Allerdings hatte sie sich auch große Mühe gegeben, freundlich zu Lydia zu sein und der Versuchung widerstanden zu nörgeln, wenn ihre Mitschülerin den Unterrichtsbeginn verzögerte oder dumme Bemerkungen machte wie jene, dass die Erde flach sei, wo doch heutzutage jeder wusste, dass diese Ansicht längst überholt war.
    Und natürlich war sie so nett wie möglich zu Miss Hollingswood gewesen, die, dessen war sie sich sicher, Lydias gedankenloser Kommentar tief gekränkt haben musste.
    Rose gefiel die Vorstellung, ein ehrlicher Mensch zu sein. Ga Ga hatte ihr immer eingeschärft, wie wichtig es war, »zu sich selbst aufrichtig sein«, wie er es nannte. Sie verstand nicht ganz, was das bedeutete, denn es war doch sicher unmöglich, sich selbst zu belügen, da man ja sofort wissen würde, dass man die Unwahrheit sagte. Aber Ga Gas ernstes Gesicht machte ihr die Lektionen deutlich bewusst, die ihr schon im frühen Alter eingebläut worden waren, nämlich dass man zu anderen immer ehrlich sein sollte. Trotzdem gab es sicher Dinge, über die man besser nicht laut sprach, um nicht vulgär zu klingen – selbst wenn es die Wahrheit war. Ein Beispiel dafür war Miss Hollingswoods so gut wie sicheres Schicksal, als alte Jungfer zu enden. Und ein anderes war

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