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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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gegeben habe. Nicht Phoebe. Meiner anderen Schwester.«
    »Grace«, sagte er leise, und sie nickte.
    »Wenn das der einzige Hinderungsgrund ist, dann ändere ich eben meinen Namen in Jim!«
    Er lachte, ein lautes, breites Lachen, das mehrere Zähne entblößte. Zähne, die sie beschützen würden, dachte Rose. Die ihr eine Welt ersparten, in der Ga Gas Verstand nicht mehr war wie früher; in der sie mit einer Mutter zusammenlebte, die sich versteckte; mit einem Vater, der Lydias Mutter liebte – der Beweis, dass Rose nicht so begriffsstutzig war, wie sie vielleicht dachten –, und mit einer Schwester, die nicht Grace war.
    Sie heirateten innerhalb von drei Monaten. Phoebe war eine störrische Brautjungfer, eingeschnappt, weil sie ihr Kleid aus kühlem blauem Satin nicht mochte, der gerne knitterte und es ihr schwer machte, sich darin zu bewegen. Rose trug ein langes weißes Seidenkleid, in dem bereits ihre Mutter getraut worden war, und einen Strauß tiefroter Pfingstrosen aus dem Garten nahe der Stelle, wo ihr Malkasten vergraben war. Die Blumen, frisch gepflückt am Morgen, zierte noch ein Tautropfen. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes vergrub Rose das Gesicht darin, und für einen kleinen Augenblick glänzte der Tau auf ihrer Wange wie eine Träne.
    Mama war nicht präsent. Seit dem Tod von Grace war ihre Mutter nur noch selten präsent bei irgendwelchen Anlässen. Selbst ihr Essenstablett kam unten wieder an, ohne dass die pochierten Eier angerührt worden waren und ohne die Spur eines Telegramms oder einer Silbermünze. Allerdings entstand kurz vor Roses Abreise Hektik unter dem Hauspersonal, und eine Nachricht wurde an Papa übergeben. Offenbar wünschte Mama sie doch noch einmal zu sehen, um von ihr Abschied zu nehmen.
    Mit Herzklopfen stieg Rose die kleine Seitentreppe empor, die zum Boudoir ihrer Mutter führte. Im Bett lag eine Frau, die fast keine Ähnlichkeit mehr hatte mit Mama. Sie war so dünn, dass ihre Knochen mit dem Weiß der Laken zu verschmelzen schienen. Ihre Augen leuchteten auf wie blassblaue Laternen, und als sie die Hand ausstreckte, spürte Rose einen plötzlichen Widerwillen und musste sich überwinden, bevor sie duldete, dass die kalte Haut sie berührte.
    »Mein Liebes, es gibt zwei Dinge, die ich dir sagen möchte.«
    Die Stimme klang schwach und brüchig. Rose wartete, während ihr Atem an ihrem Hals pulsierte.
    »Erstens, es gibt nichts Schlimmeres als einen untreuen Ehemann. Allerdings müssen wir es hinnehmen, weil das unser Schicksal ist. Die Alternative ist zu schrecklich. Zweitens, du wirst den Großteil deines Lebens damit verbringen, darauf zu warten, dass etwas geschieht.«
    »Ja!« Roses Herz machte einen Sprung. Ihre Mutter verstand sie also doch!
    »Du wirst den Großteil deines Lebens damit verbringen«, fuhr Louisa fort, »darauf zu warten, dass etwas geschieht, was vielleicht nie geschehen wird. Darum verschwende nicht deine Zeit.«
    Roses Herz sank, während sie beobachtete, wie auch ihre Mutter sank, zurück in die weichen weißen Kissen, neben einer Fotografie von Grace, die unter einem breitkrempigen Hut mit buchfinkenblauen, herabhängenden Bändern hervorlächelte.
    »Nimm das hier.« Ihre Mutter deutete auf eine Schatulle neben dem Bett. »Und auch diese Zeilen hier. Nein, du darfst sie erst öffnen und die Nachricht lesen, wenn du deine Reise angetreten hast. Und nun geh.«
    Am folgenden Tag setzten sie Segel zu einem Ort namens Jesselton.
    Am ersten Tag auf See las Rose die Nachricht. Sie bestand aus drei Zeilen in der schönen, gestochenen Handschrift ihrer Mutter.
    »Um die Vergangenheit zu weinen ist nutzlos.
Um die Gegenwart zu weinen trübt nur den Blick,
und man sieht weniger klar in die Zukunft.«
    Rose steckte das Gedicht in ihr liebgewonnenes Exemplar der Canterbury-Erzählungen , um es sicher aufzubewahren. Da es ihr gierig schien, beides auf einmal zu öffnen, machte sie das Geschenk ihrer Mutter erst am zweiten Tag auf. Ihr Collier! Ihre wunderschönen Perlen, die sie so oft bewundert hatte. In der Schatulle steckte außerdem eine Notiz, geschrieben mit schwarzer Tinte, die die charakteristischen Schnörkel ihrer Mutter trug.
    »Du bist an der Reihe.«
    Ein dicker Kloß bildete sich in Roses Kehle. Dann liebte ihre Mutter sie also doch! Ehrfürchtig betastete sie die herrlichen Perlen. »Danke, Mama«, sagte sie, während sie an der Seitenreling des Schiffes stand, die Holzbrüstung umklammernd wie zuvor, als sie beobachtet hatte, wie England in

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