Perlentöchter
der Ferne immer kleiner wurde. »Ich werde mein Bestes tun, um mich ihrer würdig zu erweisen.«
12
Das Schiff! Nichts hätte Rose auf das Schaukeln vorbereiten können, das zwischen einem sanften Wiegen und einem gewaltigen Wogen pendelte, sodass sie sich vorkam wie ein winziges Orangenstück in dem großen schwarzen Einmachtopf des Kochs, ein winziges Stück, das hin und her, auf und ab und im Kreis herumgewirbelt wurde. Noch nie, dachte Rose, während sie sich in einer der seltenen Ruhephasen an die Holzreling klammerte, hatte sie etwas Vergleichbares erlebt. Der kreisende Globus im Schulzimmer kam ihr nun vor wie ein bloßes Kinderspielzeug.
»Am besten«, hatte Charles knapp bemerkt, »sitzt man es in der Kabine aus.«
Tatsächlich tat er genau das, bewaffnet mit einer großen Flasche Single Malt. Rose hatte nichts übrig für dieses seltsame, blassgoldene Getränk, das an ihrem Gaumen brannte, obwohl ihr Neuvermählter ihr ein Glas eingegossen und gedrängt hatte, mit seiner tiefen Bassstimme, dass dies die einzige Lösung sei. Auch hatte sie nicht viel übrig für die enge Kabine und das schmale Bett, das sogar noch kleiner war als jenes, das sie früher als Kind manchmal mit Grace geteilt hatte. Was »die Sache« betraf, von der Lydia ihr erzählt hatte und die von ihr als Neuvermählter erwartet wurde – es war einfach noch nicht dazu gekommen. Außer sie hatte es zufällig verpasst.
Vielleicht hatte Lydia es falsch beschrieben, vielleicht war damit die Art gemeint, mit der Charles seine Lippen auf ihre gepresst und sie verätzt hatte mit dem Geschmack dieses schrecklichen blassgoldenen Zeugs, das in ihrem Mund brannte. Aber er hatte dies erst zweimal getan, seit das Schiff in Southampton abgelegt hatte, wo ihr Vater am Kai zum Abschied winkte. War es möglich, dass man als eine Folge von wunden Lippen schwanger wurde?
»Absolut grässlich, nicht wahr?«, sagte eine Stimme neben ihr mitten in ihre Gedanken hinein. Sie gehörte einer hübschen Frau, die ihr zu Beginn der Reise als »Celia, eine der anderen Ehefrauen« vorgestellt worden war und die ihren Sohn nach England gebracht hatte, wo er die Schule besuchte. Celias Mann Alec war auf Borneo geblieben, um sich um die Arbeit zu kümmern, was dort unten anscheinend üblich war. Roses Herz hatte einen Takt lang ausgesetzt, als sie das hörte. Wenn Charles und sie Kinder hatten, würde sie eine Schule finden, die näher lag.
»Tut mir leid, dass wir noch keine Gelegenheit hatten, miteinander zu plaudern«, sagte Celia und hielt sich an der Reling fest, als der nächste Sturm sich ankündigte. »Ich bin unter Deck geblieben.« Sie blickte Rose an, der auffiel, dass die Frau beinahe größer war als sie selbst, aber ein eckigeres Gesicht hatte und eine leichte Hakennase. Sie strahlte außerdem eine Selbstsicherheit aus, die wahrscheinlich davon herrührte, dass sie »seit mehreren Jahren dort unten« lebte, wie Charles es ausgedrückt hatte. Celia sah eindeutig älter aus, als sie war, und ihre Haut erinnerte Rose an einen Lederhandschuh. »Sie auch, nehme ich an.«
»Nein.« Rose hörte, dass in ihrer Stimme eine Unsicherheit schwang, die sie überraschte. Sie war im Unterricht nie zu schüchtern gewesen, den Mund aufzumachen, was ihre neue Gouvernante nicht versäumt hatte zu betonen. Aber hier, in einer Umgebung, die so anders war, spürte sie ungewohnte Nervosität und beinahe Angst. »Ich bleibe lieber hier oben, damit ich sehen kann, was passiert. Das heißt«, fügte sie hastig hinzu, »außer wenn es richtig schlimm wird. Dann setze ich mich in einen der Säle unten.«
»Sie meinen den Salon.« Celia nickte und klappte ein schmales schwarzes Etui auf. »Möchten Sie eine?«
Rose hatte nie zuvor eine Frau rauchen sehen. Papa sagte immer, das sei »forsch«.
»Danke. Ich meine, nein. Nein, danke.«
Celia lächelte, als hätte Rose etwas furchtbar Komisches gesagt, bevor sie sich ihre Zigarette anzündete. »Ich habe gehört, Sie sind noch sehr jung. Wie haben Sie Charles kennengelernt?«
Rose gewann allmählich ihre Sicherheit zurück. »Im Lazarett. Ich habe seinen Bruder und ein paar andere Patienten betreut. Mein Vater ist Arzt, wissen Sie. Charles besuchte seinen Bruder Duncan, und so kamen wir ins Gespräch.«
Celia trug ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen, die, wie Rose auffiel, in einem recht feurigen Rot geschminkt waren. »Und wie viele Monate ist das her?«
»Drei.«
Wieder ein amüsiertes Lächeln. »Dann kann ich davon
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