Perlentöchter
Marianne erzählt?« Das war die Stimme, die wie Charles klang, was aber nicht sein konnte, weil ihr Ehemann diese Woche zu einer Plantage weggefahren war. Das wusste sie noch. Er würde vorerst nicht zurückkommen.
»Wo bleibt der Arzt?«
Dies war nun eine Stimme, die Rose kannte. Sie verband sich mit Erinnerungen an Gin Rummy und Bridgepartien und Maskenbälle, die mehr verbargen als nur Gesichter. Mrs Cuthbert Cooper mit all ihrer Lebenserfahrung im fernen Osten würde sicher wissen, was gegen die Schmerzen half.
»Mein Kopf«, versuchte Rose zu sagen, aber das Klingeln in ihren Ohren war so laut, dass nur ein Buchstabensalat herauskam, wie früher bei dem Spiel, das sie mit Grace und der lieben Miss Hollingswood gespielt hatte.
»Es gibt nur eine Person, die ihr helfen kann, bis der Doktor kommt.«
Das war eine leise Stimme. Zu leise. Rose mochte sie lieber mit dem Celia-Klimpern.
»Aber sie wird sich weigern.«
»Dann muss man sie zwingen.«
»Rose würde das nicht dulden.«
»Sieh sie dir an! Sie wird nichts davon mitbekommen.« Die erste Stimme war beharrlich. »Diese Frau weiß mehr über Kräuter und Tränke als sonst einer hier. Ich sage dir, Rose wird nicht überleben, wenn du die Frau nicht findest.«
Die roten Fußabdrücke färbten sich nun tiefer auf der Leinwand, die immer größer wurde und das Zimmer, in dem es heißer und heißer wurde, schrumpfen ließ. Roses Kopf fühlte sich in der einen Minute riesig an und in der nächsten winzig. Das erinnerte sie an die Schrumpfkopfgeschichte, eine von vielen, mit denen ihr Ehemann um sie geworben hatte. Hätte sie doch damals geahnt, was sie nun wusste.
»Trink.«
Rose öffnete die Augen und schrie. Zwei schwarze Augenpaare starrten auf sie herunter, während ihr ein Glas mit einer kalten Flüssigkeit an den Mund gedrückt wurde. Der Trank hatte die Farbe eines hellen Kastanienbrauns, das sie an die Herbsttage zu Hause erinnerte, und darin schwammen kleine dunkle Stücke, wie Baumrinde.
Rose drehte den Kopf zur Seite und versuchte, den Trank auszuspucken, der von ihrem Kinn tropfte. »Maya«, versuchte sie zu schreien. Warum war keiner hier? Warum hielt niemand diese Frau auf, die im Begriff war, sie zu vergiften?
Dann tastete die Frau über Roses Hals, um ihr die Perlen abzunehmen. »Nein«, schrie Rose. »Nein!«
»Es ist schon gut, Liebling.«
War das Charles? Aber er nannte sie nie »Liebling«. Vielleicht verwechselte er sie mit jemandem. »Maya versucht nur, dir zu helfen.«
Der Trank wurde ihr nun gewaltsam eingeflößt, und zu spät realisierte Rose, dass ihre Perlenkette weg war. Nicht schon wieder! »Nein, nein!«, schrie sie, aber es blieb an ihren Lippen hängen, gehüllt in Schweigen. Und dann wusste sie nichts mehr.
Es war der Laut, den sie als Erstes hörte. Ein Schrei wie von einem Vogel, zunächst leise und dann lauter.
Rose drehte sich um. Sie hatte sich nie zuvor so ausgeruht gefühlt, so friedlich. Selbst ihr merkwürdiger Traum von diesem Vogel konnte sie nicht beunruhigen. Das Bett fühlte sich an, als wäre es aus köstlichem cremigem Schaum, wie das Sahnehäubchen auf dem Trifle, von dem Grace immer verstohlen naschte und es sich mit diesem unartigen Funkeln in den Augen auf der Zunge zergehen ließ.
»Sie ist aufgewacht.«
Geht, wollte Rose sagen. Lasst mich schlafen. Lasst mich träumen.
»Rose? Wie fühlen Sie sich?«
Das war eindeutig nicht die Stimme ihres Gatten. Der Ton dieses Mannes war kultivierter, autoritär, aber auch freundlich. Sie hatte das Gefühl, dass sie diese Stimme zuvor gehört hatte, aber schon vor sehr langer Zeit.
»Sie haben einen Sohn, Rose. Ihr Kind ist gesund. Und Sie sind auch auf einem guten Weg.«
Eine kühle Hand legte sich auf ihre Stirn. »Das Fieber geht zurück. Versuchen Sie, die Augen zu öffnen. Ja, gut so!«
Während Rose der Aufforderung folgte, übermannte sie eine Welle, die ihre Brust traf, ähnlich den Wellen, die ihr vor ein paar Stunden die Eingeweide herausgerissen hatten. Aber dies war doch anders. Es ähnelte dem Gefühl, wenn man einen Rock oder eine Bluse auszog und der Stoff knisternd über die Haut glitt. Nur stärker. So stark, dass Rose beinahe die Augen wieder schloss und dies auch getan hätte, wenn sie nicht hinter diesem Mann, der ihr unbekannt war, obwohl sie das Gefühl hatte, ihn kennen zu müssen, ihren Gatten entdeckt hätte.
Charles hielt die Ursache des Lärms in den Händen, das Geschrei, das sie geweckt hatte. »Liebling«, sagte er und
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