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Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)

Titel: Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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Brille mit einem feinen Gestell aus mattem Silber auf. Sie hatte ihr Haar aufgesteckt und sah trotz des verrutschten T-Shirts unter der zimtfarbenen Jacke älter aus als gestern, eine Wissenschaftlerin, der rote Elefant paßt heute gar nicht zu ihr. Mit einemmal war sie ihm ganz fremd, und mehr noch, als Lesende, als Arbeitende ist sie eine Gegnerin, vor der ich auf der Hut sein muβ. Perlmann versuchte sich zu verschließen und machte einen letzten, verzweifelten Versuch, sich an ein Thema zu erinnern, von dem er etwas verstand. Nach ihr bin ich dran. Doch dann hörte er ihre helle Stimme, die angespannt und gehetzt klang. Ihre Füße unter dem Tisch schlüpften aus den roten Schuhen und wieder hinein, sie stützte sich mit den Armen auf den Tisch, nur um diese Stellung sofort wieder zu verändern. Statt nur das Thema zu umreißen, rechtfertigte sie ihre Arbeit fortwährend und redete länger als nötig. Nach einer Weile spürte Perlmann, daß sein Körper ihre Anspannung übernommen hatte, als könne er sie ihr dadurch abnehmen. Er meinte, sie gegen die Gesichter der anderen verteidigen zu müssen, obgleich in diesen Gesichtern nicht die Spur von Kritik zu lesen war, allenfalls ein gönnerhaftes Wohlwollen.
    Und dann, ganz plötzlich, war sie fertig, nahm die Brille ab und lehnte sich mit gekreuzten Armen zurück. Es kam Perlmann vor, als fülle sich die Veranda mit einer betäubenden Stille, und die Zeit schien erst weiterfließen zu wollen, wenn er mit dem Sprechen begonnen hätte. Er tastete nach den Zigaretten, bekam die Packung zu fassen und merkte sofort, daß sie leer war. Die Hand noch an der Schachtel ging sein Blick über Silvestris Kopf hinweg hinaus aufs Meer, um sich zu vergewissern, daß die Welt, die wirkliche Welt, viel größer war als dieser verhaßte Raum, wo er jetzt endgültig von all den Menschen eingekreist wurde, die er doch nur deshalb zusammengerufen hatte, weil er Agnes auf ihrer Fotoreise durchs winterliche Italien hatte begleiten wollen.
    Silvestris Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, er nahm seine Packung Gauloises und warf sie Perlmann in einem hohen Bogen quer durch den ganzen Raum zu. Noch halb im Versuch versunken, sich im eigenen Blick zu verstecken und unbemerkt hinaus ins Licht zu fliehen, hob Perlmann den Arm und fing die Schachtel mit sicherem Griff. Obwohl diese Sicherheit gar nicht aus ihm selbst zu kommen schien, sondern nur aus dem Körper, den er, wie eine Attrappe, zur Tarnung hatte zurücklassen wollen, gab sie ihm ein Stück Selbstvertrauen zurück. Er dankte Silvestri mit einem Kopfnicken und steckte eine der filterlosen Zigaretten zwischen die Lippen. Es wird wirklich vollkommen zufällig sein, was ich jetzt sage.
    Beim ersten Zug nahm ihm der scharfe Rauch den Atem, und er mußte husten. Er hörte Silvestri lachen, verschanzte sich noch eine Weile hinter seinem Husten und blickte schließlich, nachdem er sich mit dem Taschentuch über die tränenden Augen gefahren war, in die Runde.
    «Ich arbeite an einem Text über den Zusammenhang von Sprache und Erinnerung», sagte er. Er war erleichtert und erschrocken zugleich über die Ruhe in seiner Stimme. Das sei etwas, fuhr er fort, was ihn schon seit vielen Jahren interessiere. Zu selten, so fände er, werde in seiner Disziplin untersucht, wie Sprache mit den verschiedenen Formen des Erlebens verflochten sei. Und gerade das Erleben von Zeit sei diesbezüglich besonders stiefmütterlich behandelt worden. Das sei für einen Linguisten ein etwas unorthodoxes Thema, fügte er mit einem Lächeln hinzu, das sich wie eine mühsame Gesichtsgymnastik anfühlte. Aber er verstehe den Aufenthalt hier auch als eine Gelegenheit, einmal etwas andere Wege zu gehen als sonst.
    Evelyn Mistral sah ihn mit strahlenden Augen an, und jetzt bemerkte Perlmann zum erstenmal das Grün dieser Augen, ein Meeresgrün, in das einige Splitter Bernstein eingelassen waren. Sie war freudig überrascht, daß er sich mit etwas beschäftigte, was ihrem eigenen Thema verwandt war, und Perlmann mußte wegsehen, um in seiner Verlogenheit ihrem lächelnden Gesicht nicht weiterhin ausgesetzt zu sein.
    In den Gesichtern der anderen war weniger geschehen, als er erwartet hatte. Millars Kopf schien noch ein bißchen geneigter zu sein als sonst, aber in seinem Blick war kein Spott zu entdecken, und in Adrian von Levetzovs dunklen Augen schimmerte sogar ein verhaltenes Interesse.
    Laura Sands Vorschlag zur Reihenfolge der Sitzungen fand Zustimmung. Der Termin, den

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