Pern 04 - Drachensinger
von Anfang an im Besitz dieser Fakten. »Sie gehört nicht zu den 71
Leuten, die absichtlich trödeln.«
Nun konnte Menolly eine klobige Gestalt neben dem riesigen Sandkasten erkennen.
»Na, dann laß dir ruhig Zeit, Kind. Ein Mädchen, das den Sporen entflieht, hat sicher gelernt, sich zu beeilen.« Die Stimme floß aus dem Dunkel, voll und weich, mit rollendem R
und reinen, klaren Vokalen.
Der Feuerechsenschwarm flog durch die offene Tür herein, und die Augen des Meisters weiteten sich. Er warf Menolly einen halb spöttischen, halb erstaunten Blick zu.
»Piemur!«
Das einzige Wort ließ den Jungen herumwirbeln, aber die Lautstärke, die Menolly erschreckte, entlockte ihm nur ein Grinsen. »Hast du meine Botschaft nicht ausgerichtet? Die Echsen sollten draußen warten!«
»Sie folgen ihr überallhin, Meister Shonagar, aber Menolly meint, daß sie stillhalten, wenn sie es ihnen befiehlt.«
Meister Shonagar wandte den Blick wieder Menolly zu.
»Gut, dann befiehl es ihnen!«
Menolly schob Prinzeßchen sacht von ihrer Schulter und befahl der Schar, sich irgendwo niederzulassen und keinen Laut von sich zu geben, solange sie es nicht erlaubte.
»Ein willkommener Anblick«, meinte Meister Shonagar und nickte anerkennend. »Wenn man bedenkt, daß ich den ganzen Tag von einer unfolgsamen Meute umgeben bin …«
Er musterte Piemur mit zusammengekniffenen Augen, doch der ließ sich nicht beeindrucken und kicherte.
»Dein freches Gesicht und Benehmen reichen mir für heute, mein Freund. Verschwinde!«
»Jawohl, Meister!« Piemur blinzelte Menolly zu, ging zur Tür und hüpfte die Treppe hinunter.
»Spitzbub!« schmunzelte der Meister und deutete auf einen Hocker in der Nähe. Menolly setzte sich. »Ich höre, daß Petiron seine Tage als Harfner auf eurer Burg beendet hat, 72
Menolly.«
Sie nickte, insgeheim erleichtert, daß er sie beim Vornamen nannte. Das schien ihr ein gutes Zeichen.
»Und er hat dich einige Instrumente spielen gelehrt, sowie dir Musiktheorie beigebracht?«
Wieder nickte Menolly.
»Wofür Meister Domick und Meister Morshal einen Beweis verlangten?« Sein trockener Tonfall ließ Menolly aufschauen.
»Und besaß Petiron auch die Kühnheit …« – er legte Mißvergnügen in seinen wohlklingenden Baß, und einen Moment lang befürchtete sie, er sei ebenso voreingenommen wie der zynische Domick und der verbitterte Morshal – » … die Kühnheit, deine Stimme auszubilden?«
»Nein, Sir. Ich – ich glaube es wenigstens nicht. Wir haben einfach hin und wieder zusammen gesungen.«
» Ha! «
Und die riesige Hand von Meister Shonagar patschte so hart auf den Sandkasten, daß die trockenen Teile aufwirbelten. »Ihr habt einfach zusammen gesungen? So wie du einfach zusammen mit deinen Echsen gesungen hast?«
Ihre Freunde zirpten mißtrauisch.
»Ruhe!« donnerte er und patschte wieder auf den Sand.
Zu Menollys Überraschung falteten die Feuerechsen brav ihre Schwingen und blieben ganz still sitzen.
»Nun?«
»Ob … ob ich ganz einfach mit meinen Echsen gesungen habe? Ja, genauso war es.«
»Und bei Petiron?«
»Meist sang ich die Gegenstimme zu Petirons Melodie.
Später übernahm dann ich die Melodie, und meine Echsen sangen Diskant.«
»Das hatte ich zwar nicht gemeint, aber lassen wir es gut sein.
Sing mir etwas vor!«
»Was, Sir?« Sie wollte die Gitarre von der Schulter nehmen.
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»Die brauchen wir nicht«, wehrte er ungeduldig ab. »Was bei mir zählt, ist einzig und allein die Stimme. Ich mag es nicht, wenn unsaubere Töne durch eine schöne Begleitung vertuscht werden … Es ist die Stimme, mit der wir uns verständigen, die Stimme, mit der wir an das Innere anderer Menschen heranzu-kommen versuchen, die Stimme, die Gefühlsregungen weckt: Tränen, Lachen, Vernunft. Deine Stimme ist das wichtigste, vielseitigste, erstaunlichste Instrument, das es gibt. Und wenn du diese Stimme nicht richtig, nicht nutzbringend einzusetzen verstehst, kannst du ebensogut zu deiner kleinen Klitsche am Meer zurückkehren.«
Menolly war so fasziniert von dem vollen Klang und der Farbigkeit seiner Stimme, daß sie kaum auf den Inhalt achtete.
»Nun?« fragte er.
Sie blinzelte, merkte jetzt erst, daß er auf ihren Gesang wartete, und holte tief Luft.
»Nein, nicht so! Unfug! Du atmest von hier …« Und er spannte die Finger um seinen faßförmigen Bauch. »Durch die Nase, so …« Er sog die Luft ein, bis der ohnehin mächtige Brustkorb noch größer wirkte. »Dann die Luftröhre hinunter
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