Pern 10 - Die Renegaten von Pern
Getreide. Die Hälfte des Wintervorrats. Ferfar hat die Lieferung erst gestern morgen bekommen. Ich hatte - auf Bitten des Fuhrmanns - zwei Reiter als Eskorte mitgeschickt. Er hatte in jüngster Zeit mehrfach Zusammenstöße mit Banditen und wollte die lange Fahrt nicht ohne Schutz antreten.«
»Glauben Sie, da hat jemand zu viel geredet? Oder hatte der Dieb einfach Glück?«
»Es sind mehrere. Sie haben vier Fässer geleert, und dazu braucht man schon einige Paar Hände«, entgegnete Asgenar und bedeutete T'gellan, sich seinen Weinbecher nachfüllen zu lassen. »In letzter Zeit finden viel zu viele Diebstähle - ach, wie soll ich es ausdrücken
- genau zur rechten Zeit statt, als daß ich noch an glückliche Zufälle glauben könnte. Diese Diebe wissen, was sie wollen, und wo sie es sich holen können.«
»Und Sie haben keinen Zweifel an der Ehrlichkeit dieses Ferfar?«
»Nicht einen Tag nach Erhalt der Lieferung, nachdem man keine Kosten gescheut hat, um die Sicherheit der Fracht zu garantieren.«
Asgenar schnaubte abfällig.
»Die Eskorte ist keiner Menschenseele begegnet, weder auf dem Hin-noch auf dem Rückweg. Wer sollte auch unterwegs sein, wenn Fäden fallen?« Er verzog das Gesicht, als er merkte, daß sich diese Frage von selbst beantwortete. »Diese Diebe sind gerissen!
Schlagen genau dann zu, wenn alle einsatzfähigen Bewohner des Hofes mit den Bodentrupps unterwegs sind. Wir hätten auch heute noch nichts davon erfahren, wenn Ferfars Onkel nicht etwas im 127
Lager gebraucht und verschüttete Körner gesehen hätte. Er ging sofort an die Trommeln.«
T'gellan runzelte die Stirn, und Asgenar dachte schon, der Bronzereiter wolle den Bericht einfach überhören. Doch dann sah ihm T'gellan fest in die Augen.
»Ich habe Monarth gebeten, allen auszurichten, die noch in der Luft sind, sie sollen im Tiefflug zurückkehren. Falls sie verdächtige Bewegungen oder irgendwelche Reisenden entdecken, werden sie sich die Sache genauer ansehen und sich bei mir melden. Haben Sie vielleicht eine Vorstellung, wohin die Diebe sich wenden könnten?
Männer mit schweren Getreidesäcken können weder schnell noch weit laufen.«
»Das ist ein weiteres Problem. Dieser Teil von Lemos ist bis weit nach Telgar hinein« - Asgenar deutete auf braune Sterne in verschiedenen Größen auf der Karte - »mit großen und kleinen Höhlen durchsetzt. Jede neue Grotte, die wir finden, wird markiert, doch wahrscheinlich gibt es unzählige, die wir noch nicht entdeckt haben. Aber meine Waldhüter berichten von frischen Feuerstellen und gelegentlich auch von vergrabenem Reiseproviant in Höhlen abseits der Straßen. Viel zu häufig, als daß es Zufall sein könnte.«
Asgenar rieb sich erst das Gesicht und dann den Nacken.
»Ich bin von Natur aus nicht mißtrauisch, aber ich erkenne ein Schema, nicht bei den Überfällen selbst, sondern bei dem, was gestohlen wird.
Auf jeden Fall mehr Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände als Wertsachen. Irgendwo in diesen Bergen treiben sich Renegaten herum, die sich ein angenehmes Leben machen, ohne einen Finger zu rühren. Dagegen habe ich etwas, und meine Pächter auch.«
»Das ist nur zu verständlich«, erklärte T'gellan mitfühlend. Die Burg Lemos hatte auch vor den Fädeneinfällen großzügige Abgaben an die Weyr geleistet.
»Ich habe nicht genügend Wächter, Pächter oder Waldhüter, um 128
die vielen Höhlen beobachten zu lassen.
Und allmählich glaube ich, daß einige von den Heimatlosen, die man des Diebstahls bezichtigte, tatsächlich so unschuldig waren, wie sie behaupteten.«
T'gellan sah ihn nachdenklich an. »Wie viele solcher Unschuldiger haben Sie im Moment in Gewahrsam?«
»Viel zu viele«, brummte Asgenar empört. »Man kann schließlich nicht ganze Familien mit Kleinkindern davonjagen. Und ich brauche jeden kräftigen Mann, den ich kriegen kann, für die Bodenmannschaften.«
»Sind auch Leute darunter, die Sie mit leichteren Arbeiten betrau-en könnten? Zum Beispiel mit regelmäßigen Inspektionsrunden in den verdächtigen Höhlen, um zu sehen, wer dort auftaucht?«
Asgenars besorgtes Gesicht entspannte sich zu einem Lächeln.
»Beim Ersten Ei, T'gellan, ich könnte mich ohrfeigen, daß ich nicht selbst daran gedacht habe. Was die Heimatlosen am dringendsten brauchen, ist schließlich ein Dach über dem Kopf und genügend zu essen. Eine kleine Hütte als Gegenleistung für gute Arbeit. Damit kann ich dienen«, strahlte er.
*
»Ich bin mir des Problems
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