Pern 12 - Die Delphine von Pern
schaute er in die entgegengesetzte Richtung, die Küste entlang zur Landspitze an der Ostseite der Bucht und dann wieder über die Schulter zurück zum Dschungel.
»Ich hatte angenommen, Readis wäre schon hier«, bemerkte T'gellan und blickte Jayge erklärungsheischend an.
»Ich erwarte, daß er kommt«, war Jayges knappe Antwort. In 318
diesem Moment wurde ihm bewußt, wie verzweifelt er auf Readis Auftauchen hoffte. Drei Tage waren mehr als lang genug, seine Meinung deutlich zu machen. Auf jeden Fall lang genug, Aramina in absolute Panik zu versetzen, Readis könnte sich verletzt haben, könnte von Delky gefallen sein, könnte jedes erdenkliche Unglück erlitten haben. Seine Sorge mischte sich immer mehr mit gerechtem Zorn, daß Readis, der immer mit Achtung behandelt worden war, ihnen ihre Freundlichkeit auf diese Weise entgalt!
Inzwischen hatten die Delphine die beiden Kälber ins flache Wasser geleitet, und T'lion, der sich bis auf die Unterkleidung ausgezogen hatte, sobald Alemi sie in der Ferne erblickt hatte, watete ihnen, Gadareth im Gefolge, entgegen.
Leise vor sich hin brummend legte auch Persellan die Kleider ab, während T'gellan nur die Schuhe auszog und die Hosenbei-ne hochkrempelte. Jayge, Temma und Alemi, die sowieso nur ein Minimum an Kleidung trugen, zogen nur die Sandalen aus und wateten gleichfalls in Wasser.
»Wir kommen drei Sonnen« , sagte Afo klickend und Wasser aus dem Blasloch stoßend. Sie gab Persellan einen Schubs.
»Du Heiler. Ich höre von dir. Guter Mann. Dangke.«
»Das ist gern geschehen«, antwortete Persellan. »Nun welche
– oh ...« Angie war direkt in Gadareths Klauen geschwommen, die er unter der Wasseroberfläche ausgestreckt hatte.
Jayge war einen Moment lang von Gadareths Eigen—
mächtigkeit verblüfft, doch dann wurde ihm klar, daß T'lion ihn wahrscheinlich in Gedanken um Hilfe gebeten hatte. Hin und wieder überraschten Drachen ihre Reiter, doch auf T'lions Gesicht war nichts dergleichen zu erkennen, als er sich zur Seite stellte, um Persellan nicht bei seiner Untersuchung zu behindern.
Angie hatte ihren schlanken Körper seitlich gedreht, damit man die Stiche sehen konnte. Persellans Hand strich sanft zu beiden Seiten der genähten Wunde über die Haut.
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Nun, wo Jayge die Wunde sah, mußte er zugeben, daß Readis richtig gehandelt hatte. Keiner in der ganzen Siedlung war so schwer verletzt gewesen: ein paar gebrochene Knochen, ziemlich viele Schnittwunden durch umherfliegende Trümmer-teile, Muskelzerrungen, die schnell durch Taubkraut gelindert waren. Natürlich hatte Temma auch entscheiden müssen, welche Herdentiere notgeschlachtet werden mußten, doch das war mit dem geringstmöglichen Aufwand und ohne langes Leiden geschehen. Beim Anblick der schrecklichen Wunde, die das Kalb erlitten hatte, scha uderte Jayge unwillkürlich.
»Der sitzt ein wenig fest«, bemerkte Persellan streng und zeigte auf eine bestimmte Stelle. »Den werde ich wohl lockern müssen. Die Wunde heilt gut, und der Faden könnte in die Haut einschneiden.« Er griff in seinen Beutel, zog eine Schere heraus, zerschnitt den Faden und zog ihn vorsichtig aus der Haut. Er war nicht der einzige, der den Atem anhielt, als das Fleisch sich entspannte, ohne daß die Wunde wieder aufbrach.
»Hmmm. Es spricht wirklich viel für die Heilung im Salzwasser!« Dann wandte er sich Afo zu, die aufmerksam ein glänzendes, schwarzes Auge auf ihn gerichtet hielt.
»Tut es dem Kalb weh, wenn ich es berühre.«
»Frag sie selbst« , antwortete Afo mit leisem Quietschen.
»Sie heißt Angie.«
»Angie, tut es dir weh, wenn ich dich anfasse?« fragte Persellan mit erhobener Stimme. Angie, die den Kopf aus dem Wasser gereckt hatte, um ein Auge auf Persellan halten zu können, stieß Wasser aus ihrem Blasloch.
»Genau wie ein Kind, das sich nicht sicher ist, ob es seinem Heiler traue n kann«, bemerkte Temma leise zu Jayge und Alemi, die neben ihr standen.
Persellan ummaß mit ganz sanftem Druck die Wunde der
Länge nach. »Wie soll ich das fragen? Angie, ist alles regelmä-
ßig?«
Temma räusperte sich, um ein Kichern zu unterdrücken.
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Angie quietschte: »Bitte wiederhol das, ich verstehe das nicht« , und zwar so klar und deutlich, daß Temma belustigt die Luft ausstieß.
»Ißt du normal?« fragte Persellan.
»Ich hungrig. Ich esse.«
Nun wandte Persellan sich um und war in seiner Hilflosigkeit sogar bereit, seine Frage an T'lion zu richten. »Wie soll ich darauf hinweisen, daß
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