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Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen

Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen

Titel: Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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seltsamsten weiblichen Wesen gegenüber, dem er je begegnet ist.
    Die Dame ist einem zwei Meter langen Ofenrohr nicht unähnlich. In der rechten Hand hält sie ein Schlachtermesser.
    „Verzeihung, Mylady, ich hätte gern Mister Baart gesprochen.“ Perry Clifton bringt sein Anliegen vor, ohne dabei den Säbel aus den Augen zu lassen.
    „Mein Mann feiert, Jerome!“
    Zwei Dinge lassen Perry zusammenzucken. Einmal ihre tiefe Baßstimme und dann der Name Jerome. Noch bevor er sich rechtzeitig in Sicherheit bringen kann, ist die hagere Dame bei ihm und faßt ihn mit der Linken unterm Kinn.
    „Du bist doch Jerome, Anna Mortons Sohn?!“
    „Nein, Madam, mein Name ist...“
    „Schweig, das kriege ich selbst raus! Sieh mal zur Seite!“ Perry fügt sich und dreht seinen Kopf nach links. „Hm... du könntest natürlich auch Rodney sein. Ja, natürlich, du bist Rodney Callagan. Daß mir das nicht gleich aufgefallen ist. Wie geht es deinem Vater? Schmuggelt er immer noch Whisky? Aber warum frage ich, natürlich schmuggelt der alte Gauner noch; er wird es ja auch nie sein lassen.“ Sie zieht Perry energisch an sich heran und drückt ihm einen schmatzenden Kuß auf die Backe. Der Detektiv fühlt eine Gänsehaut aufkommen. „Komm herein, Rodney, erzähl mir von deinem Vater.“
    Perry Clifton macht sich frei. „Ich bin nicht Rodney Callagan, Mrs. Baart“, versichert er mit Nachdruck. „Mein Name ist Perry Clifton!“
    Margret Baart strahlt ihn aus ihren herrlichen blauen Augen an und fuchtelt dabei mit dem Schlachtermesser vor dem Gesicht herum.
    „Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, Rodney, he? Willst du die alte Tante Margret wirklich aufziehen? Du, das finde ich gar nicht schön. Früher habe ich dir so was ja nie übel genommen, aber jetzt; Rodney, du bist doch jetzt ein erwachsener Mann. Also laß den Unfug und häng dir nicht so dumme Namen an!“
    Perry Clifton schluckt. „Ich finde meinen Namen ganz schön, Madam. Und ich schwöre Ihnen, daß ich auch zu ihm gehöre.“
    „Mit anderen Worten: Du willst nicht Rodney Callagan sein?“ Mrs. Baarts Baßstimme wird fast weinerlich: „Du bist also wirklich nicht Rodney Callagan? Meinetwegen... Wie sagten Sie, ist Ihr Name?“
    „Perry Clifton, Madam. Ich komme aus London und mache hier nur ein paar Tage Angelferien.“
    Margret Baart nickt melancholisch. Dann fährt sie mit ihrem Daumen prüfend über die Schneide des Messers. Perry Clifton weicht automatisch zwei Stufen zurück.
    „Hatten Sie mir eigentlich schon gesagt, was Sie von Paul Baart wollten?“
    „Ich wollte ein Motorboot mieten, Madam, weiter nichts.“
    „Können Sie haben. Wann und wie lange?“
    „Sagen wir mal... von heute nachmittag bis morgen früh.“
    Mrs. Baart ist plötzlich voller Mißtrauen, und ihre blauen Augen werden starr: „Sie wollen nachts angeln?“
    „So ist es, Madam“, bestätigt Perry mit einem harmlosen Augenaufschlag: „Angeln!“
    „Nicht schmuggeln, Mister?“
    „Nicht schmuggeln, Madam. Ich bin bereit, jeden Eid zu schwören!“
    „Ist recht. Sie bekommen die Isolde. Kostet ein halbes Pfund pro Stunde. Und wenn Sie damit untergehen 300 Pfund.“

    Um 20 Uhr beginnt auf dem winzigen Marktplatz von Turny das Kapuzenspringen. Fast alle männlichen Inselbewohner zwischen 15 und 40 Jahren nehmen teil. Die zahlreichen Zuschauer klatschen, rufen oder schreien, wenn es darum geht, ihre Favoriten zu unterstützen. Das Kapuzenspringen ist eine Art Sackhüpfen, nur — die Teilnehmer können nichts sehen.
    Perry schaut dem Trubel eine Zeitlang amüsiert zu, bevor er endgültig den Weg zu seinem Quartier einschlägt.
    Mit viel Mühe erkämpft er sich einen Platz in der dichtbesetzten Schankstube und bestellt bei Mary Rodger ein Steak. Sie ist völlig verändert: ihre sonst so heitere Ruhe ist einer hektischen Nervosität gewichen.
    Nachdenklich sucht Perry Clifton dann sein Zimmer auf, um die Vorbereitungen für das nächtliche Abenteuer zu treffen. Er hat gerade den Brief an Professor Mallory geschrieben und verklebt, als es kurz und hart an die Tür klopft. Noch bevor er „Herein“ rufen kann, öffnet sich die Tür, und eine vermummte Gestalt schiebt sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze herein. Aus den beiden Löchern im Kopfteil der Kapuze starren ihm zwei dunkle Augen entgegen.

    „Guten Abend!“ begrüßt Perry Clifton mehr neugierig als überrascht den Besucher und entdeckt erst jetzt den glattgeschliffenen Holzknüppel, den der Vermummte in der Hand

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