Perry Rhodan Neo 026 – Planet der Echsen
eiskalten Finger an die Lüftungsschlitze der Heizung unterhalb des Fensters hielt.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte er. »Eine Cola?« Er öffnete eine Klappe im Mittelteil des Wagens und zog eine Plastikflasche hervor, die er Cui anbot.
Stumm und mit der Gier eines Menschen, der für gewöhnlich von der Hand in den Mund lebte, griff sie zu.
Während Cui die Limonade trank, überdachte Bai Jun seine Lage. Rechtlich gesehen war sein Vorgehen gelinde gesagt heikel. Im Grunde musste er die junge Diebin entweder der Polizei übergeben oder laufen lassen. Festhalten durfte er sie nicht, auch wenn ihr selbst das nicht ganz klar zu sein schien – ein weiteres Indiz für die Gesellschaftsschicht, aus der sie vermutlich ursprünglich stammte und in der illegale Menschenhaltung zur Tagesordnung gehörte.
Bai Jun fragte sich, was sie nach Terrania verschlagen hatte. War sie vor ihrem Zuhälter geflohen und auf der Suche nach einem besseren Leben hierhergekommen, nur um wieder auf der Straße zu landen? Bai Jun konnte und wollte das nicht glauben. In Terrania sorgten die Menschen noch füreinander. Davon, dass Leute auf der Straße leben und sich mit Diebstählen über Wasser halten mussten, hatte er seit dem Ende der wirren ersten Tage der Stadtgründung nichts mehr gehört.
Aber vielleicht bin ich schon zu weit weg von den Menschen , dachte Bai Jun. Sein Amt als Bürgermeister und Beisitzer des Inneren Rats der Terranischen Union überhäufte ihn geradezu mit Pflichten, die seine volle Aufmerksamkeit beanspruchten. Bei den vielen visionären Projekten, die er gegenwärtig verfolgte, war es leicht, den Blick für das, was genau in diesem Augenblick unter seinen Augen geschah, zu verlieren.
Dabei lag seine Wohnung extra nur im zehnten Stock des Stardust Towers. Seine PR-Berater hatten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, nachdem sie erfuhren, dass es selbst Steuerberater und Zahnärzte geben würde, die oberhalb des Bürgermeisters von Terrania residierten. Bai Jun hingegen war unnachgiebig geblieben. »Hoch genug, um die Dinge im Blick zu haben, aber nahe genug am Boden, um nicht abzuheben«, hatte er ihnen den Grund für seine Wohnungswahl genannt.
Doch offenbar hatte er sich getäuscht. Selbst zehn Stockwerke über den Straßen lebte man zu weit oben – wenn einem erst die eigene Brieftasche gestohlen werden musste, damit man mitbekam, dass gescheiterte Existenzen wie Cui in der Nachbarschaft existierten.
Und trotzdem ist es nicht bloß Mitleid, was dich bewegt, nicht wahr? , fragte eine provokante Stimme in seinem Inneren.
Bai Jun musste ihr gegen seinen Willen recht geben. Er verhielt sich nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch erstaunlich irrational für seine Verhältnisse. Es war, als folge er einem inneren Zwang. Er wollte Cui, die dem ermordeten Mädchen von damals so unfassbar ähnelte, unbedingt helfen, ihr etwas Gutes tun.
Glaube ich, so späte Wiedergutmachung betreiben zu können? , fragte er sich. Suche ich Sühne? Oder wird in mir nach all den Jahren, die ich den Lebemann gegeben habe, plötzlich die Sehnsucht nach Familie wach? Unwillkürlich wanderte sein Blick nach vorne zu Lhundup, dessen konzentriert nach draußen blickende Augen er im Rückspiegel sehen konnte und der ebenfalls so jung war, dass er sein Sohn hätte sein können.
Vielleicht drehe ich aber auch einfach langsam durch. Die letzten Monate haben unser Weltbild phasenweise im Tagesrhythmus erschüttert. Da muss der beste Mann um sein inneres Gleichgewicht fürchten. Er sollte wieder mehr meditieren. Dazu war er seit seiner Wahl zum Bürgermeister viel zu selten gekommen.
Bai Jun seufzte lautlos. Im Grunde war es einerlei. Er hatte Cui die Tür geöffnet, jetzt konnte er sie nicht gleich wieder der Schwelle verweisen – und er wollte es auch gar nicht. Denn ganz gleich, was mit ihm selbst nicht stimmte: Cui brauchte wirklich seine Hilfe.
Er räusperte sich. »Sag mal, lebst du schon länger in Terrania, Cui?«
Die junge Diebin schielte ihn über den Rand ihrer Colaflasche scheu an. Sie schüttelte den Kopf.
»Und was ist mit deinen Eltern? Sind dein Vater und deine Mutter auch hier?«
Cui schüttelte den Kopf.
»Hast du Freunde? Bekannte? Irgendjemanden?«
Sie blickte ihn einen Moment lang stumm an – und schüttelte dann den Kopf.
»Aber wie kommst du dann nach Terrania? Kannst du mir nicht etwas über deine Vergangenheit sagen?«
Erneut antwortete ihm ein Kopfschütteln.
Bai Jun war sich nicht
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