Perry und das unheimliche Haus von Hackston
Aufforderung.
Er gelangte in einen drei Meter langen Vorraum, von dem zwei weitere Türen abgingen. Eine davon hatte eine Milchglasscheibe, durch die das Licht in die winzige Diele fiel.
Diesmal klopfte Perry — an die Glastür. Die Reaktion kam prompt: „Herein!“
Die Dame war Mitte Vierzig und sehr gepflegt. Sie steckte in einem schlichten braunen Wollkleid, darauf eine goldene Brosche in Form eines Salamanders. Das brünette Haar war zu einem Knoten zusammengebunden und gab ihr ein wenig ein schulmeisterliches Aussehen, zu dem auch die schildpattgerahmte Brille beitrug. Sie saß hinter einem aufgeräumten Mahagonischreibtisch und musterte Perry durch ihre getönten Gläser. Ihre Stimme war kühl und fast monoton, als sie fragte: „Sie wünschen, bitte?“
Clifton spielte den Verlegenen. „Ja... eigentlich...“ Er nahm die schmale Kollegmappe von der rechten in die linke Hand. „... eigentlich wollte ich gern mal den Chef sprechen!“
Die Dame ließ sich nicht anmerken, was sie über ihren Besucher dachte. Mit der gleichen Stimme wie eben erkundigte sie sich: „Welchen? Mister Gordon oder Mister Lash?“
„Wie wär’s mit Mister Gordon?“
„Mister Gordon ist verreist. Leider!“
„Dann melden Sie mich eben bei Mister Lash an.“
„Wie Sie wünschen, Sir!“ Der Anflug eines Lächelns huschte um ihre Mundwinkel.
„Danke, Madam! Übrigens, mein Name ist Clifton!“ Perry beobachtete sie genau, doch nichts deutete darauf hin, daß sie seinen Namen schon einmal gehört hatte. Nicht das leiseste Zucken verriet Überraschung oder Erinnern.
„Ich bin Miß Craig. Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mister Clifton!“ Der Detektiv sagte noch einmal „danke“, setzte sich und begann sich zu wundern. Und zwar darüber, daß die Sekretärin, denn als solche stufte er sie ein, keinerlei Anstalten machte, ihn, wie vorgehabt, bei Mister Lash anzumelden. Im Gegenteil: Sie entnahm der Schreibtischschublade mehrere Listen, griff nach einem Stift und begann mit der Addition von Zahlen.
Perry Clifton wartete genau fünf Minuten. „Verzeihung, Miß Craig, sprachen Sie vorhin nicht von einer Anmeldung bei Mister Lash?“
Sie sah auf, runzelte die Stirn: „Das geht schon in Ordnung. Mister Lash wird sicher jeden Augenblick eintreffen. Er kommt immer um 15 Uhr.“
„Aha!“ sagte Clifton, und sie setzte zu einer neuen Addition an. Als sie merkte, daß der Besucher sie noch immer betrachtete, legte sie den Stift zur Seite und gab den Blick zurück. „Er ist immer sehr pünktlich!“
„Ein schöner Zug!“ nickte Clifton freundlich, in diesem Augenblick fest entschlossen, auf den Busch zu klopfen. „Wenn ich gewußt hätte, daß bei Gordon & Lash eine so charmante Lady sitzt, wäre ich sicher schon früher gekommen. Arbeiten Sie schon lange hier?“
Sie wurde weder rot noch verlegen, auch schien sie nicht sonderlich beeindruckt zu sein, denn in ihrer Stimme schwang unüberhörbare Ironie mit, als sie erwiderte. „Auch ohne Schmeichelei hätte ich Ihre neugierige Frage beantwortet. Ich bin seit drei Monaten hier, Mister Clifton.“ Und nach einem spöttisch-liebenswürdigen Blick: „Wenn es Sie nicht stört, arbeite ich inzwischen weiter.“
Perry Clifton steckte den Hieb mit Anerkennung weg. Dabei kamen ihm jetzt allerdings Bedenken, ob Miß Craig wirklich nur eine Sekretärin war. Stumm beobachtete er, wie sie mit rasender Geschwindigkeit die schier endlosen Zahlenkolonnen bewältigte und die Ergebnisse hinschrieb. Als sie auf ihre Armbanduhr sah, tat Perry Clifton das gleiche. 15 Uhr 05. Mit der vielgerühmten Pünktlichkeit des Mister Lash schien es doch nicht so weit her zu sein.
Der große, schwere Mann mit dem Schlägergesicht schob sich durch den Gang und ging auf eine Tür mit Aufschrift „Privat“ zu. Er steckte in einem weißen Dekorateurmantel, in dem er sich ausnahm wie ein Flußpferd in einem Babyjäckchen.
Der Riese hieß in Wirklichkeit Morris Batallin und war von Jack Mason aus Frankreich importiert worden, nachdem er in der Nähe von Paris fünf Jahre Gefängnis wegen Nötigung, Scheckbetrug und Erpressung ab gesessen hatte. Mit einem gefälschten Paß auf den Namen Morris Green lebte der Sohn eines französischen Vaters und einer englischen Mutter jetzt in London. Da er sich von jeher mehr als Engländer gefühlt hatte, war er Jack Mason für dessen Arrangement doppelt dankbar.
Der Galeriebesitzer telefonierte gerade, als Morris eintrat. Er winkte dem ungeschlachten Mann mit einer
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