Persilschein
anzufordern.«
»Das würde dir auch gar nicht gelingen. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Außerdem liegt sie gerade auf meinem Schreibtisch. Einen Moment. Ich sehe nach.«
Goldstein hörte einen dumpfen Knall, dann leises Fluchen. Schließlich war Markowsky wieder am Apparat. »Heute geht wirklich alles schief. Der ganze Aktenstapel ist umgekippt. Aber hier hab ich es. Der Mann heißt Hans Allemeyer.«
»Ein Angestellter des Kaufhauses?«
»Ja.«
»Ist er noch dort beschäftigt?«
»Das kann ich dir leider nicht sagen. War’s das?«
»Ja … Nein warte. Welche Verletzung hat der Bote erlitten?«
Erneut das Geräusch blätternder Seiten.
»Einen Steckschuss. Rechter Fuß.«
Goldstein bedankte sich und beendete das Gespräch. Der Sache musste er nachgehen.
Zu seiner Überraschung griff die Vorzimmerdame direkt zum Telefon und meldete den Hauptkommissar bei ihrem Chef an. Danach führte sie ihn in sein Büro.
Wieland Trasse erhob sich hinter seinem Schreibtisch und kam Goldstein mit ausgestreckter Hand entgegen. »Herr Hauptkommissar Goldstein. Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen.«
Goldsteins Erstaunen wuchs. Trasse tat so, als habe er dieser Unterredung geradezu entgegengefiebert.
»Bitte nehmen Sie doch Platz.« Er wies auf eine Sitzgruppe am Fenster. »Kaffee?«
Als Goldstein Zucker in eine Tasse mit Goldrand rührte, fragte der Kaufhausbesitzer zuvorkommend: »Was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um einen Ihrer Mitarbeiter. Wolfgang Müller. Wir suchen ihn wegen Mordes.«
»Müller ein Mörder? Ausgeschlossen.«
»Warum sind Sie da so sicher?«
»Ich kenne den Mann. Er hat bei uns gearbeitet, seit wir das Kaufhaus nach dem Krieg wieder eröffnet haben. Er ist zuverlässig. Fleißig. Ein idealer Angestellter.« Trasse griff zum Telefon auf dem Konferenztisch. »Ich lasse mir eben seine Personalakte bringen.«
Kurz darauf überreichte ihm seine Sekretärin das Gewünschte. Trasse blätterte in den Unterlagen. »Keine Fehlzeit in fast fünf Jahren. Immer pünktlich.« Er stutzte. »Das ist ja sonderbar. Müller fehlt schon die ganze Woche unentschuldigt.« Sein erstaunter Gesichtsausdruck sprach Bände. »Sie sagten, dass Sie ihn suchen?«
»Ja.«
»Seit wann? Oder ist das ein Amtsgeheimnis?«, setzte er schnell hinzu. »Dann selbstverständlich …«
»Nein«, erwiderte der Kommissar. »Diese Information ist zwar nicht gerade für die Öffentlichkeit bestimmt, aber geheim ist sie nun nicht. Müller ist seit Samstag flüchtig.«
»Seit Samstag«, wiederholte Trasse und rieb sich das Kinn. »Am Montag ist er nicht zur Arbeit erschienen. Sieht so aus, als ob ich mich in dem Mann getäuscht habe.«
»Welche Aufgabe hat er in Ihrem Kaufhaus übernommen?«
»Er ist im Einkauf tätig. Lagerhaltung und so etwas.«
»Wussten Sie, dass er bei der SS war?«
»Herr Hauptkommissar, das waren viele. Auch ich habe gerade ein Verfahren vor dem Entnazifizierungs-Grundausschuss hinter mich gebracht. Obwohl ich nie SS-Mitglied war. Auch kein Parteigenosse übrigens. Aus der Verhandlung mache ich kein Hehl. Und ich vermute, dass Sie als Polizist, der nach 1933 im Dienst geblieben ist, ebenso befragt wurden.«
Als Goldstein schwieg, lachte Trasse auf. »Ich sehe Ihnen an, dass ich recht habe. Wenn die Alliierten alle, die unter Hitler verantwortungsvolle Positionen innehatten, in Internierungslager gesteckt hätten, wäre doch alles zusammengebrochen. Ja, ich wusste, dass Müller SS-Offizier gewesen ist. Er war abgeordnet zu einem Nachschubbataillon irgendwo im Osten.«
»In Lemberg«, warf Goldstein ein.
»Lemberg? Sie sind ja gut informiert. Es wird wohl stimmen. Aber genau diese Tätigkeit war der Grund, warum ich ihn eingestellt habe. Ein Fachmann im Beschaffungswesen. Von seiner Erfahrung konnte ich beim Aufbau meiner Kaufhäuser profitieren.«
»Kennen Sie einen Knut Lahmer?«
»Nein. Den Namen habe ich nie gehört.«
»Wissen Sie, ob Müller Feinde hatte? Möglicherweise wegen seiner SS-Mitgliedschaft?«
»Herr Hauptkommissar, mich interessiert das Privatleben meiner Mitarbeiter nicht. Wenn sie ihre Arbeit ordentlich erledigen, ist es mir egal, was sie früher gemacht haben. Irgendwann muss Schluss sein mit diesen Verdächtigungen, meinen Sie nicht? Die meisten von uns haben doch nicht gewusst, was im Osten im Detail vorging.«
Goldstein schwieg. So ähnlich hatte er am Wochenende im Streit mit seinem Schwiegervater auch argumentiert. Fast identische Worte aus dem Mund eines
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