Persische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
fassungslos auf die brennenden Häuser, die einmal ihre Heimat gewesen waren.
»Nicht stehen bleiben«, zischte der Djinn. Er hielt sie am Arm gepackt und ließ nicht zu, dass sie sich auch nur einen Schritt von ihm entfernte. Nicht, dass sie das vorgehabt hätte. Nachdem er sie gedrängt hatte, sich anzuziehen, hatte er nicht weiter gesprochen, sondern hatte sie aus dem Haus gebracht. Sie hatte ihn angefleht, ihre Eltern mitzunehmen oder sie wenigstens zu warnen, doch er hatte nicht geantwortet und sie nur weiter gezogen.
Der Weg durch das Dorf war blockiert. Shahira sah nur noch rotes Feuer, hörte gellende Schreie in ihren Ohren, von Freunden, von Menschen, mit denen sie ihre Kindheit und ihre Jugend verbracht hatte. Die Flammen färbten den Himmel über dem Dorf rot.
Shahira glaubte erst, nicht richtig gesehen zu haben, doch dann sah sie es wieder – ein dunkler Schatten, der sich gegen die Wand eines Hauses presste. Es war das Zuhause von Murhat, dem Bäcker des Dorfes. Sein Haus hatte gerade erst Feuer gefangen, und aus dem Innern konnte Shahira ihn brüllen hören – er trieb seine Frau und seine alte Mutter an, zu fassen, was sie kriegen könnten, und dann das Haus zu verlassen. Einen Lidschlag später stürmte Murhats massige Gestalt aus der Tür, doch er kam nicht weit – der Schatten an der Wand bewegte sich katzengewandt, etwas blitze auf und Murhat fiel, die Hände an seine aufgeschlitzte Kehle gepresst, auf die Knie. In seinen Augen lag ein glasiger Ausdruck, und in seinem Gesicht las Shahira Verwunderung.
Der Schatten stieg über den Leichnam hinweg und verschwand im Haus. Kurz darauf schrie Murhats Witwe.
Überall im Dorf konnte Shahira diese fremden Schatten erkennen. Sie wollte sich losreißen und zu ihrem Elternhaus zurückkehren, doch der Djinn legte seine Hand auf ihre Augen und hob sie auf seine Arme. »Sieh nicht hin.« Seine Stimme war schwer, rau. Shahira konnte nicht sagen, ob vor Trauer oder wegen etwas anderem. Sie wehrte sich. »Meine Eltern, bitte, sie dürfen sie nicht töten!«, flehte sie, nun blind, weil er ihre Augen nicht freigab.
Der Djinn schwieg – er schien nachzudenken. Dann jedoch bewegte er sich, und Shahira spürte, wie sie fortgetragen wurde. Sie schrie und versuchte seinem Griff zu entkommen, doch gegen seine Kraft konnte sie nichts ausrichten. Hilflos lag sie in seinen Armen, als er sie aus dem brennenden Dorf trug.
Der Morgen brach an. Die blutrote Sonne, die sich über den Horizont schob, erinnerte Shahira an die vergangene Nacht. Sie versuchte wegzusehen, doch unerbittlich schoben sich die Strahlen über das Gestein und die Felsen um Shahira herum und färbten den Sandstein rot.
Er hatte sie in der vergangenen Nacht zu den Ausläufern des nahen Gebirges gebracht und sie dort in eine der Höhlen getragen, die das Gebirge durchzogen und untereinander verbunden waren, sodass sie ein unübersichtliches Labyrinth bildeten, von dem niemand im Dorf genau wusste, wohin es führte.
Shahira zog die Beine an den Leib und verbarg ihr Gesicht an den Knien. Sie fühlte sich taub, müde und erschöpft. Asche kratzte in ihrer Lunge und beschmutzte ihren Kaftan und den Schal. Dennoch zog sie sich den Stoff über den Kopf. Sie wollte sich vor der Welt verstecken.
Es war ihre Schuld. Sie war verdorben, und weil sie dem nachgegeben hatte, hatte nun das ganze Dorf dafür büßen müssen. Kalir, ihre Eltern …
Der Gedanke an ihren Vater und ihre Mutter schnürte ihr die Kehle zu und brach den Damm – Shahira hatte bisher nicht weinen können, doch nun liefen ihr die Tränen über die Wangen, und sie schluchzte, bis ihr die Kehle wehtat. Sie hörte erst auf, als sie Schritte hörte. Ihr Kopf ruckte hoch, und sie tastete nach dem Dolch, den der Djinn ihr überlassen hatte. Er war, nachdem sie ihn weiter angebettelt hatte, vor Morgengrauen aufgebrochen, um nach ihren Eltern zu sehen, und war seitdem noch nicht zurückgekehrt.
Erleichtert ließ Shahira den Dolch wieder sinken, als sie die bereits vertraute Silhouette erkannte. Er kam in die Höhle und kniete sich zu ihr. Shahira musste nicht hören, was er zu sagen hatte. Sie sah deutlich in seinen Augen, dass er zu spät gekommen war. Kraftlos sank Shahira gegen die Felswand und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie weinte haltlos, schrie und brülle ihren Schmerz hinaus. Sie waren fort – alle waren fort. Jeder Mensch, den sie gekannt hatte, jeder Mensch, den sie geliebt hatte, lag ermordet oder verbrannt in den
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