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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Probst
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hingelaufen, aber auf halbem Weg hinter einem steinernen Feldkreuz in Deckung gegangen, weil am Himmel ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug auftauchte. Im Zug hatte man offenbar Angst, dass es zu einem Angriff kommen könnte. Soldaten stiegen aus und machten, dass sie davonkamen. Aber plötzlich drehte einer um und rannte zu einem Güterzug, der schon länger ein paar hundert Meter entfernt unter Bäumen gestanden hatte. Er rief Kommandos und die Waggons wurden eilig auf das Gleis neben den Militärzug rangiert. Da flog das Aufklärungsflugzeug zum zweiten Mal über uns hinweg.«
    Seine Stimme war plötzlich belegt, er schüttelte den Kopf, als sei alles gestern passiert. »Dann kamen Jagdflugzeuge und haben die beiden Züge beschossen. Es gab eine furchtbare Explosion. Was sage ich, eine? Es hörte gar nicht mehr auf: Der Militärzug war bis unters Dach mit Munition beladen. Jetzt wurden am Güterzug Türen aufgeschoben. Ausgemergelte Gestalten in gestreifter K Z-Kleidung zwängten sich heraus und versuchten, über die Wiese davonzurennen. Fast alle wurden von der Wachmannschaft erschossen, und die in den Waggons verbliebenen Häftlinge kamen im Feuer um. Insgesamt starben bei dieser Katastrophe fast zweihundert Menschen.«
    Ein Mädchen hob schüchtern die Hand. »Vielleicht haben die Soldaten geglaubt, wenn sie die Häftlinge neben den Munitionszug fahren, schießen die Amerikaner nicht.«
    »Von wegen«, sagte Engler. »Den Nazis war da längst klar, dass sie den Krieg verloren hatten, deshalb wollten sie noch möglichst viele Zeugen ihrer Verbrechen beseitigen. Da kam ihnen dieser Angriff gerade recht.«
    Bevor Schwarz ging, schaute er noch einmal zu dem Foto des Mädchens mit den dunklen Locken. Schade, dass Eva nicht dabei ist, dachte er, sie würde verstehen, weshalb mich dieses Bild so in seinen Bann zieht.

35.
    Er fuhr die Leopoldstraße stadteinwärts. Eine dunkle Wolkenschicht hatte sich über die Stadt gelegt, es nieselte leicht und die Temperatur war innerhalb weniger Stunden um zehn Grad gefallen. Mit der Wärme waren die Spaziergänger verschwunden, die gerade noch ihr Eis genossen und geflirtet hatten. War der Sommer schon wieder vorbei? Kamen jetzt die endlosen, grauen Tage und mit ihnen die allgemeine Übellaunigkeit und Gereiztheit?
    Man müsste auswandern, dachte Schwarz, obwohl er wusste, dass er dafür völlig unbegabt war. Wie sollte einer, der höchstens mal in den österreichischen Pinzgau verreiste, für immer in einem fremden Land zurechtkommen? In einem Land womöglich, wo er sich nicht mal über grantige Münchner aufregen konnte.
    Sein Handy klingelte. »Was ist?«
    »Du klingst aber grantig.«
    »Grantig? Ich weiß gar nicht, was das ist, Kolbinger.«
    »Ich habe was für dich.«
    Schwarz setzte den Blinker und bog kurz vor der Universität in eine Parkbucht ein. Er stellte den Motor ab. Sein Gefühl sagte ihm, dass er sich für dieses Telefonat etwas Zeit nehmen sollte.
    »Die Sache ist fast zehn Jahre her. Ich habe einen Vermerk gefunden und mir die Akten schicken lassen.«
    »Welche Sache, welche Akten?«
    »Langsam, Anton. Bedank dich lieber, dass ich es dringend gemacht habe.«
    »Hm. Danke.«
    Kolbinger raschelte mit Papieren. »Die Geschichte ist in Otterfing passiert, am Bahnhof. Kennst du Otterfing?«
    »Nur von den Netzplänen, die in den S-Bahnen hängen.«
    »Liegt im Landkreis Miesbach.«
    Schwarz hörte Kolbinger wieder blättern und dann bruchstückhaft aus dem Polizeiprotokoll zitieren. »14.   11.   1998, 0.20   Uhr. Der Fahrgast Grenzebach Achim gerät mit dem Bein zwischen Bahnsteig und abfahrende S-Bahn   … Notarzteinsatz   … Schwerstverletzter wird zur Unfallklinik Murnau geflogen.«
    Das ist der Mann, schoss es Schwarz durch den Kopf: Achim Grenzebach. Und so hat er sein Bein verloren. »Was für eine Rolle hat Klaus Engler gespielt?«
    »Er hat die S-Bahn gefahren.«
    »Engler? Er fährt Güterzüge.«
    »Vielleicht hat er nach dem Unfall umgesattelt. Pass auf, Anton, jetzt geht’s erst richtig los. Fast zwei Monate später, nach der Entlassung aus der Klinik, erstattet Grenzebach Anzeige wegen besonders schwerer Körperverletzung durch grobe Fahrlässigkeit.«
    »Wer ermittelt?«
    »Rosenheim.«
    »Wie begründet er diesen Vorwurf?«
    »Er behauptet, auf der Fahrt aus München beobachtet zu haben, wie der Fahrer der S2   …«
    »Moment, es war wirklich die S2?«
    »Ja, die Linie wurde erst später umbenannt. Warum?«
    »S2 ist eines der

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