Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perth

Perth

Titel: Perth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Martin
Vom Netzwerk:
blassen Grau über ein orangefarbenes Blau bis zu einem triumphalen goldenen Glühen, das Himmel, Ozean und die palmenbedeckte Landschaft in eine ruhige Wärme und ein Gefühl der Hoffnung tauchte. Das Geräusch der Brandung ließ mich glauben, ich stünde am Rande der Welt. Nichts am Land hinter mir schien real zu sein. Als ich auf den Ozean hinausblickte, was ich immer geliebt habe, fühlte ich, dass ich irgendwie nach Hause gekommen war — »Wo der Ozean rollte, dort war sein Zuhause«, hat Byron einmal geschrieben. Ich hatte seit fünfzehn Jahren nicht mehr in der Nähe des Meeres gelebt, nicht mehr seit ich zehn Jahre alt gewesen war und an der sandigen, kiefernbewachsenen Küste Uruguays gewohnt hatte, vor einer ganzen Ewigkeit, bevor meine Familie mich aus der Landschaft meiner Jugend herausriss und wir in die USA übersiedelten.
    Aber die Schönheit und Herrlichkeit dieser Morgendämmerung schienen sich über meine Gefühle lustig zu machen. Cindy und ich entdeckten bald, dass wir in Wirklichkeit nicht in einem Paradies voller Hoffnungen und Versprechen gelandet waren. Florida war sogar noch flacher als Ohio, und seine Kultur war seltsam. Es gehörte zwar zu Amerika, schien sich aber gänzlich vom Rest des Landes zu unterscheiden. Es war eine amerikanische Ruhestandssubkultur mit einer ihr eigenen Pensionistenlogik. Mittlerweile hat sich die Situation verändert, aber damals hatten viele junge Leute das Gefühl, Eindringlinge zu sein und nur als Gäste geduldet zu werden, die eigentlich nicht richtig dorthin gehörten und lediglich als nützliches Beiwerk angesehen wurden. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Arkaden für die Millionen von Menschen zu errichten, die dort ihren Lebensabend verbrachten. Sogar an der Universität fühlte ich mich wie ein Teil des Servicepersonals für die Millionen von Rentnern, die Florida jedes Jahr schubweise überschwemmten. Ein großer Teil des Lebensstils in Florida, von Bingospielen bis zu den sterilen, blitzblanken Apartmenthäusern, schien uns völlig sinnentleert zu sein.
    Wir kamen mit einem großen Lieferwagen, der mit unseren Habseligkeiten vollgestopft war, in Florida an und kannten keine Menschenseele. Es war schrecklich heiß und, was noch schrecklicher war, sehr feucht. Perth, da war ich sicher, hatte keinen blassen Schimmer, was los war. Es schien eine leere Welt ohne jegliche Bedeutung für uns zu sein. Mit Schrecken erkannten wir, dass wir uns möglicherweise vom Leben selbst abgewendet hatten. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass es hier eine gute Bibliothek gab, mit Büchern, die von den Schätzen der Weltkultur, der Kunst und der Zivilisation erzählten. In dieser trägen und bedrückenden Atmosphäre war alles anders: Gerüche, Geräusche, Fliegen, Vögel, Fische, Vegetation und Architektur sowie das Tempo und Temperament des Lebens selbst. Wir hatten Glück und fanden eine erschwingliche Ferienwohnung, in der wir bleiben konnten, so lange wir wollten. Sie lag etwa zweihundert Meter vom Meer entfernt, in Hörweite der Brandung. Aber wenn wir gerade nicht an den Strand flüchteten, waren wir in unserer klimatisierten Wohnung eingesperrt, in die uns die enorme Hitze und Feuchtigkeit trieben.
    Cindy und ich wären verzweifelt gewesen, wenn wir nicht uns, Perth und das Meer gehabt hätten. Dieser Teil der Küste, dreißig Kilometer südlich von Palm Beach, war extrem wohlhabend, und der kleine Ort, den wir uns ausgesucht hatten, war mit einem schmalen, sechs Kilometer langen wunderbaren Sandstrand gesegnet, an dem zahlreiche riesige Häuser mit herrlichen, üppigen Gärten standen. Wir befanden uns am bescheideneren Ende des Strandes. Die dichte Vegetation verbarg die Häuser völlig. Vom Strand aus sah man lediglich eine Wildnis aus Kohlpalmen, Königspalmen, Kiefern, Massen von Oleandern, Hibiskusbüschen und anderen Sträuchern, langen Gräsern und dem typischen Strauchbewuchs, der am Rand von Stränden zu finden ist.
    Perth war die Erste, die sich mit dem neuen Zuhause in Delray Beach abfand. Während wir unsere Sachen auspackten, steuerte sie geradewegs aufs Meer zu und war innerhalb von Minuten im dichten labyrinthischen Unterholz entlang des Ocean Drives verschwunden. Von Zeit zu Zeit hörten wir sie bellen und heulen, wenn sie wer weiß welchem Getier hinterherjagte . Nach ein paar Stunden kam sie zurück, erschöpft und von scharfen, spitzen Kakteen zerkratzt, aber sie sah begeistert aus und ihre Augen strahlten nur so vor

Weitere Kostenlose Bücher