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Perth

Perth

Titel: Perth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Martin
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beschloss, Perth eine Botschaft von hier oben zu schicken. Mit meinem alten, gewohnten Ruf — den ich tausende Male in die Wildnis von Vermont hinausgeschleudert hatte, als ich sie suchte — schrie ich, so laut ich konnte, in Richtung des Zwingers: »Hier, Perth, wir kommen .« Nachdem ich ein paar Mal gerufen hatte, kam ihre Antwort in Form von rasch aufeinander folgendem heftigem Bellen und Heulen. »So ist es recht, mein Hündchen, wir kommen, wir kommen«, rief ich. Sie antwortete wieder. Ich glaube, sie wusste, dass ihre Zeit gekommen war. Wir machten uns rasch auf den Rückweg und erreichten den Zwinger, als er gerade geöffnet wurde.
    Mit einer Betreuerin gingen wir schnell zum Käfig, um sie rauszulassen. »Perth, du bist draußen, du bist jetzt für immer bei uns«, stieß Cindy hervor. Perth war ruhig und verhielt sich vorbildlich, als befürchtete sie, dass sie wieder in den Käfig musste, wenn sie zu früh wild herumsprang . Wir unterschrieben einige Formulare im Büro, bedankten uns bei den Betreuerinnen, die alle zusammengekommen waren und Perth nacheinander zum Abschied in die Arme nahmen, und gingen natürlich ohne Leine zusammen mit Perth hinaus. Sie sprang ins Auto, und wir fuhren davon.
    Nach eineinhalb Kilometern hielt ich auf dem Weg neben einer ausgedehnten Fläche wunderschönen Gemeindelands an, die mit Farnen, Stechginster, unzähligen Frühlingsblumen und Bäumen bewachsen war. Ich öffnete die Tür. Ich sagte nur: »Jetzt kannst du losrennen, Perth, na los !« Wir wussten, was sie tun würde. Sie sah uns kurz an und schon sprang sie aus dem Auto. Beinahe bevor sie die weiche grüne Wiese berührte, begannen ihre Beine schon vorwärtszujagen . Sie schoss über den federnden Boden, ohne eine bestimmte Richtung zu verfolgen. Sie ging völlig darin auf, ihre Beine zu strecken und ihr ganzes Wesen mit der Natur aufzuladen. Innerhalb von ein paar Sekunden war sie außer Sichtweite, aber ihr Bellen und Heulen beim Aufspüren paradiesischer neuer Düfte drang noch lange bis zu uns. Mit dem Wind konnte man sie in einigen Kilometern Entfernung noch hören. Die nächsten beiden Stunden saßen wir im Auto und hörten, wie sie in den Hügeln herumjagte, in den tiefen wieder aufgeforsteten Koniferenwäldern, in den dicken braunen Famen , die ein System von Tümpeln im angrenzenden Gebiet des National Trust umgaben, der nationalen britischen Einrichtung für Naturschutz und Denkmalpflege. Sie schien überall zu sein. Dann hörten wir lange Zeit nichts mehr. Wir warteten.
    »Sie ist endlich frei«, sagte Cindy. »Es ist das erste Mal, dass sie frei in England herumläuft. Es muss für sie wie ein Zauberland sein .«
    »Jetzt fängt das Leben in England für uns alle an .« Ich sah auf meine Uhr. »Vorausgesetzt, sie kommt irgendwann zurück .« Perth war sieben Jahre alt und in der Blüte ihres Lebens. Ich spürte, dass ich sie kannte, wie sonst niemand seinen Hund kennt. Sie musste sich reinigen, den sechs Monate alten Zwingergeruch abschütteln. Was sie da draußen auch tun mochte, es war ihre eigene instinktive Form der Zwiesprache mit den Geistern und dem Wesen des Landes. Es war ihre Taufe. Unsere Aufgabe bestand darin, ihr zu vertrauen und zu warten.
    Stundenlang war nichts von ihr zu hören oder zu sehen. Wir waren selbst spazieren gegangen und hatten ein Nickerchen auf Gras und Farnen gemacht. Der Nachmittag verstrich, und wir wollten so langsam zum Essen nach Hause fahren. Es wurde bereits dunkel. Immer noch warteten wir. Gegen fünf Uhr sah ich aus dem Fenster, und da war sie plötzlich. Zuerst sagte ich nichts. Ich hatte sie noch nie so erschöpft gesehen. Sie war über und über mit Schlamm bedeckt, von Domen und Gestrüpp zerkratzt, und ihr Fell hing voller Kletten. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, aber ihre Augen blickten mich mit einem Ausdruck tiefster Zufriedenheit an, den wir seit der Zeit in Cazenovia nicht mehr bei ihr gesehen hatten.
    »Braver Hund« war alles, was Cindy sagte, als ich die Tür öffnete und Perth müde auf ihren Schoß sprang. Durch die grüne Dämmerung fuhren wir zurück nach Bury .

Kapitel 14

    E s verging nicht viel Zeit, bis die Bewohner von Bury bemerkten, dass in ihrem Ort etwas Neues dazugekommen war, und sie waren sich nicht sicher, ob ihnen das gefiel. Wie in Cazenovia brachten wir es auch hier nicht übers Herz, Perth aus irgendeinem Grund, zu irgendeinem Zeitpunkt anzubinden. Wir hatten zwar Bedenken, dass es sich negativ auf unsere neuen

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