Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Schmerz.
Auf der Straße lag der Schnee schon bald drei Zoll hoch und nur wenige Reifenspuren waren in den frischen Schnee gedrückt. Der Golem hielt Rebekka eng an seine steinerne Brust gepresst. Sie konnte kaum atmen oder sich bewegen, ihr ganzer Oberkörper war eingeklemmt. Mit den Beinen trat sie zwar um sich, aber das zeitigte nicht den geringsten Erfolg. Völlig unbeeindruckt ging das, was sie festhielt, weiter seinem Ziel entgegen. Es war, als träte sie gegen Felsen.
Der Koloss musste wenigstens zehn Fuß hoch sein, und Rebekka erkannte, dass es sich hier um nichts Lebendiges handelte. Was immer sie da gefangen hielt, es war kein Wesen aus Fleisch und Blut!
Als urplötzlich die Wand eingedrückt worden war, hatte sie nur ein schneller Sprung gerettet, sonst hätte sie der herabkommende Türsturz erwischt. Sie hatte es geschafft, sich Hutmaske und Umhang überzustreifen, da hatte sie auch schon irgendetwas Riesiges gegriffen und umklammert.
Rebekka japste nach Luft. Ihre Brüste schmerzten und Tränen traten ihr in die Augen. Wenn sie wenigstens an ihre Waffen herankäme!
Das Ding, von dem sie getragen wurde, wirkte allerdings nicht so, als könne man ihm mit einer Klinge oder einer Kugel beikommen. Der Golem schwankte um eine weitere Straßenecke, und bei seinem Anblick flüchteten zwei Kerle, die einen Dritten offenbar eben bedroht hatten, und dieser Dritte fiel ohnmächtig um. Rebekka hatte freien Blick nach vorn aus ihrer erhobenen Position vor der Brust des Monstrums. Am Ende der Straße kam die Themse in Sicht, verschwommen und unklar durch die fallenden Flocken zu erkennen. Das Ding brachte sie zu den Docks.
Die Straße vor ihnen war menschenleer. Rebekka keuchte vor Anstrengung. Kleine Funken tanzten vor ihren Augen und sie hörte das Blut in den Ohren rauschen. Ihre Adern traten am Hals und an den Schläfen hervor und sie lief langsam blau an. Ihr war schwindelig und ein heftiges Pochen ließ einen schlimmen Kopfschmerz ahnen, der heraufzog.
Die Straße kippte. Nein, der Golem schwankte. Rebekka war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Bunte Feuer tanzten vor ihren Augen, dann ein scharfer Schmerz. Irgendwas hatte sie an der Stirn getroffen, und sie verlor ihr Bewusstsein.
George Drake band das Pferd am Geländer der kleinen Steinbrücke fest und stieg dann hinunter zu dem kleinen Bach, der unter der Brücke durchfloss. Darunter war an den Seiten ein schmaler begehbarer Streifen, der trocken und geschützt lag. Er setzte sich etwa in der Mitte auf den Boden und lehnte sich gegen die Mauer des Brückenpfeilers, der hinter ihm aufragte.
Er schloss seine Augen und konzentrierte sich auf seinen eigenen Körper, der in London geblieben war. Enge, kalte Luft, Stimmen auf einer Straße, gedämpft vom lockeren, frisch gefallenen Schnee. Er spürte die raue Oberfläche des Korbgeflechts, das ihn umschloss. Noch war er nicht im Palais de Ville. Anscheinend war Rebekka noch unterwegs. Er musste warten, bis der Korb im Haus abgeliefert worden war. Mit etwas Glück konnte er es sogar schaffen, den Korb unbemerkt zu verlassen, bevor ein Bediensteter das Behältnis öffnete. Doch wenn dem nicht so war, dann musste er schnell handeln und die Dienerschaft zum Schweigen bringen, bevor Melissa de Ville von seinem Überraschungsbesuch erfuhr.
Erst aber musste er im Palais sein.
Er spürte die Erschütterungen, die der eisenbeschlagene Reifen der Karre kaum dämpfte, dann wurde die Fahrt ruhiger. Das Klappern des Kopfsteinpflasters wurde vom Knirschen eines Kiesweges unter dem Schnee abgelöst. Dann wurde die Karre abgestellt. Eine Schelle erklang und eine Tür wurde geöffnet, dann schob jemand die Karre in das Innere des Hauses. Er war drin, in Lady de Villes Rattennest!
Die dann folgende Unterhaltung vermochte er nicht zu verstehen in seinem engen Kabinett, bis er eine Stimme schreien hörte, die ihm bekannt vorkam. Rebekkas verstellte Stimme hätte er überall erkannt.
„He! Was is mit meiner Karre?“ Die Antwort war kurz und in gehässigem Ton, aber nicht zu verstehen für den Vampir. Dann entfernten sich Schritte. Rebekka war gegangen. Die Tür wurde wieder geschlossen und eine knurrige Stimme fluchte vor sich hin.
„Was hat die perverse Schlampe denn da wieder alles bestellt? Luxusweib, elendes … der Teufel soll sie holen! Und soll sich nicht einbilden, ich schlepp’ ihr das hoch, heute! Nichts da, hab Feierabend! Soll das Miststück doch …“
In der Weise weiter fluchend und schimpfend
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