Pestmond (German Edition)
Grinsen und warf sogar noch eine weitere Brandbombe auf dieselbe Weise hinterher.
»Abu Dun«, sagte Andrej.
Abu Dun ignorierte ihn ebenso, wie er es mit Ali und auch Hasan tat, der sich zwar jedes Kommentars enthielt, mittlerweile aber mehr als nur ein wenig besorgt aussah, warf die vorletzte Brandbombe in Richtung desselben Segels und griff dann nach dem letzten verbliebenen Geschoss, um es langsam und mit übertrieben nachdenklicher Miene in der Hand zu drehen. Kasim sah aus großen Augen zu ihm hoch und hob seinen glimmenden Docht, aber seine Hände zitterten so stark, dass es ihm nicht gelang, die Zündschnur in Brand zu setzen.
»Wahrscheinlich habe ich das verdient«, sagte Hasan. »Und ich will mich auch nicht beschweren … aber das ist nicht der Moment für Scherze, mein Freund. Lass nicht andere für meine Fehler bezahlen!«
Abu Dun hielt die Zündschnur seiner Brandbombe an Kasims glimmenden Docht. Zischend fing sie Feuer. Statt jedoch zu tun, worauf Hasan (und nicht nur er) wartete, legte er den Kopf schräg und blickte mit tief gerunzelter Stirn auf den Alten vom Berge hinab.
»Aber ist es nicht das, was du die ganze Zeit über schon tust?«, fragte er.
Andrejs Blick löste sich von der Zündschnur, die bereits zu einem Drittel heruntergebrannt war. »Abu Dun!«, sagte er noch einmal.
Der nubische Riese starrte Hasan einen schier endlosen Moment lang wortlos an (währenddessen die Zündschnur um ein weiteres Drittel herabbrannte), dann zuckte er mit den mächtigen Schultern, holte aus und schleuderte die faustgroße Tonkugel von sich.
Vielleicht hatte er zu lange gewartet. Das Gefäß zerbarst mit einem dumpfen Knall, kurz bevor es das Segel erreichte. Ali stieß ein Zischen aus, das an das Geräusch einer wütenden Schlange erinnerte. Eine Sekunde lang geschah gar nichts, genau wie in der zweiten und auch der dritten kleinen Ewigkeit, die sich daran anschloss.
»Du verdammter …«, begann Ali, da fing der Fockmast der Caravelle mit einem einzigen brüllenden Schlag Feuer.
Kapitel 24
D er Blitz war so grell, dass die Männer erschrocken die Gesichter wegdrehten. Dann erbebte die Pestmond wie unter dem Fußtritt eines zornigen Riesen, und eine heiße Woge strich über das Deck. Mit jähem Schrecken sah Andrej, wie ein riesiger Schwarm roter, gelber und weißer Funken in dem zerrissenen Segel über ihren Köpfen erschien, die von der Druckwelle jedoch gleich wieder gelöscht wurden, dann erbebte die Caravelle unter einer zweiten und noch heftigeren Explosion, mit der irgendetwas tief im Rumpf des sterbenden Schiffes auf die Hitze reagierte. Brennende Trümmerstücke und glühender Stoff barsten aus dem Deck wie aus dem Schlund eines Vulkanes, und Andrej war, als höbe sich das ganze riesige Schiff ein gutes Stück weit aus dem Wasser und fiel mit einer gewaltigen Erschütterung wieder zurück.
Vermutlich war es nicht nur bloße Einbildung, denn schon im nächsten Augenblick erbebte auch die Pestmond erneut wie unter einem Hammerschlag der Götter und legte sich nicht nur ächzend so weit auf die Seite, dass Hasan hastig die Hand ausstreckte, um sich am Mast festzuhalten, sondern drehte sich auch auf der Stelle, um nun fast im rechten Winkel von der Caravelle wegzutreiben. Brennende Trümmer und Feuerfunken regneten dort ins Wasser, wo die Pestmond gerade eben noch gewesen war, und nun leckten gleich an einem halben Dutzend Stellen Flammen aus Segeln und Tauwerk der kleinen Galeota. Die Hitze wurde so stark, dass Andrej die Luft wegblieb und ihm die Tränen in die Augen schossen. Trotzdem stand er weiter aufrecht und reglos und überließ es Hasans Assassinen, die überall auflodernden Brände zu bekämpfen.
Die Caravelle starb. Der brennende Mast neigte sich bedrohlich zur Seite, und was die Explosion nicht in Brand gesetzt hatte, das entzündeten die lodernden Segel, die sich wie ein flammender Baldachin auf das Deck und seine tote Mannschaft senkten. Brennende Gestalten stolperten ziellos über das Deck, setzten sich gegenseitig in Brand oder stürzten wie lebendige Meteore ins Wasser, und erneut explodierte etwas tief im Rumpf des sterbenden Schiffes. Das gesamte Schiff erzitterte, als wäre es gegen ein unterseeisches Riff gelaufen, und schwenkte nahezu auf der Stelle herum – fast als wollte es sich noch mit letzter Kraft auf seinen Mörder stürzen, um ihn mit sich ins Verderben zu reißen. Dann erfolgte eine dritte und noch einmal gewaltigere Detonation, die ein halbes Dutzend
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