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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aggressiven Unterton in seiner Stimme, auch wenn er das Gefühl hatte, dass er berechtigt war. »Du weißt doch gar nicht, wohin ich will.«
    »So wenig, wie du selbst«, antwortete Hamed ungerührt. »Und ganz egal, wohin du auch willst, von hier aus ist es überallhin weit.« Er winkte Ayla. »Geh und hol einen Schlauch Wasser für unseren Gast und Proviant für einen Tag! Willst du zum Fluss?«
    Andrej überlegte und nickte dann zögerlich. Hamed hatte recht: Er wusste selbst nicht, wohin, und eine Richtung war so gut wie die andere. Am Fluss gab es wenigstens Wasser.
    »Dann kannst du eines unserer Kamele nehmen«, sagte Hamed. »Damit schaffst du es in einem halben Tag. Wenn du genau nach Osten reitest, kommst du zu einem Dorf am Fluss. Dort kannst du das Tier zurücklassen. Wir holen es ab, wenn wir das nächste Mal dort sind, um Vorräte einzutauschen.«
    »Warum tust du das?«, fragte Andrej misstrauisch. »Du kennst mich doch gar nicht.«
    »Darf man nur Menschen, die man kennt, helfen?«, fragte Hamed. »Ich habe dich nicht in der Wüste aufgelesen und vor dem Sandsturm gerettet, damit du jetzt dort draußen verdurstest. Ich hasse es, mir umsonst Mühe gemacht zu haben.« Er wandte sich erneut an Ayla. »Geh und tu, was ich dir gesagt habe, Kind!«
    »Ich habe noch nicht gesagt, dass …«, begann Andrej, doch Ayla lief so schnell aus dem Raum, dass sie fast über die Trümmer der zerbrochenen Tür gestolpert wäre. Mit gerunzelter Stirn und einem unguten Gefühl, dessen Grund er sich nicht erklären konnte, sah Andrej ihr nach. »Das mit der Tür tut mir leid«, sagte er unbehaglich.
    »Das muss es nicht«, antwortete Hamed. »Ich repariere sie, bevor der nächste Sturm kommt.«
    »Ihr erlebt … so etwas öfter?«
    »Dann und wann«, antwortete Hamed. »Aber sie sind selten so schlimm wie gerade. Wäre es anders«, fügte er mit einem unechten Lächeln hinzu, »dann hätte ich stabilere Türen.«
    »Ich kann dir helfen, sie instand zu setzen«, bot sich Andrej an, sehr wohl wissend, dass er besser daran tat, sobald wie möglich aufzubrechen. »Ich bin gut in solchen Dingen.«
    »Aber du würdest lieber gehen«, vermutete Hamed. »Hat es mit den Reitern zu tun, die du gesehen hast?«
    »Ich weiß nicht einmal, wer sie sind.«
    »Aber du ziehst es im Moment vor, keinem Fremden zu begegnen.« Das war keine Frage, und Andrej reagierte auch nicht darauf, sodass Hamed nach einem kurzen Moment nickte und fortfuhr: »Du könntest zu dem Berg zurückgehen, in dem du deinen Freund beigesetzt hast, und dort warten, bis sie weg sind. Wahrscheinlich wollen sie nur ein bisschen Wasser und ein wenig ausruhen.«
    »Du weißt, dass es kein Berg ist.«
    »Aber ich bin der Einzige, der das weiß, und jetzt du. Die Dinge sind manchmal am besten das, wofür die Menschen sie halten«, sagte Hamed geheimnisvoll. »Niemand würde dich dort vermuten.«
    »Außer dir. Und ich verstecke mich vor niemandem«, antwortete Andrej. »Aber danke für das Angebot!« Ganz gewiss würde er nicht an den Ort zurückkehren, an dem er Abu Dun gelassen hatte. Der Schmerz, den er mit sich trug, war auch so schon schlimm genug.
    »Ganz wie du willst.« Hamed wirkte enttäuscht, beließ es aber dabei, sah sich mit unglücklichem Gesicht um und steuerte schließlich die Kiste an, in der Andrej vorhin das Werkzeug gesehen hatte. Unglücklicherweise hatte sie keinen Deckel, sodass sie nun bis zum Rand mit pulverfeinem Sand gefüllt war und Hamed einen eigenen Staubsturm produzierte, als er nach seinen Werkzeugen zu graben begann.
    »Dann geh mir zur Hand, bis Ayla mit dem Wasser zurück ist.« Er hustete. Demonstrativ. »Immerhin hast du ja auch einen Teil dazu beigetragen, dass das Zeug überhaupt hereingekommen ist.«
    Dagegen konnte Andrej nun wirklich nichts sagen. Schon, weil Hamed recht hatte.

Kapitel 5
    H ameds Werkzeuge zu reinigen erwies sich als nicht so einfach. Obwohl das meiste davon grob und von eher minderwertiger Qualität war, bestand der Alte darauf, alles sorgfältig und mit einem Tuch zu säubern, das allerdings ebenfalls staubig und deswegen nicht von großem Nutzen war. Nach einer Weile hatten sie das meiste ausgegraben, und Andrej sah zum ersten Mal zur Tür. Er schätzte, dass die Reiter noch immer mindestens eine Stunde brauchen würden, um das Dorf zu erreichen.
    Und er wollte ihnen wirklich nicht begegnen, auch wenn Hamed vermutlich recht hatte und es nur harmlose Reisende waren, die den Sturm überstanden hatten und jetzt

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