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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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antwortete er trotzig. »Du musst sie nicht nehmen, wenn sie dir nicht gefällt. Ich kann dir auch einen Haken machen.«
    Abu Dun wollte aufbrausen, doch Andrej kam ihm zuvor. »Das hat er auch nicht so gemeint«, sagte er rasch. »Du musst ihm verzeihen. Der Anblick ist nur … eben ein wenig gewöhnungsbedürftig, das ist alles. Vielen Menschen fehlt schließlich ein Finger. Oder auch zwei.«
    »Oder fünf«, sagte Kasim. »Ich wusste, dass dein Freund undankbar ist, aber das …«
    »… hat nichts mit Undankbarkeit zu tun«, fiel ihm Andrej ins Wort. »Im Gegenteil. Wir waren nur überrascht, das ist alles. Diese Hand ist … fantastisch. Ganz zweifellos dein Meisterstück.«
    »Nicht einmal annähernd«, schnaubte Kasim.
    »Vier!«, murmelte Abu Dun. »Es sind vier!«
    Kasim schürzte nur verächtlich die Lippen, bückte sich nach seiner Kiste und richtete sich dann auf halbem Wege unverrichteter Dinge wieder auf. »Wenn du mir dein Schwert gibst, dann passe ich es noch an«, sagte er. »Du kannst jede beliebige Waffe mit der Hand führen, aber wenn ich den Griff an den Handschuh anpasse, dann sitzt er so fest, als wäre er angewachsen.«
    Nach kurzem Zögern nahm Abu Dun mit finsterem Blick den gewaltigen Krummsäbel vom Bett und reichte ihn Kasim. Andrej hätte erwartet, dass dem viel kleineren Mann das Gewicht der monströsen Waffe Schwierigkeiten bereitete, doch er schob sie, ohne eine Miene zu verziehen, unter den Gürtel. Er war wohl tatsächlich einmal Hufschmied gewesen.
    »Ach ja, und Hasan lässt euch ausrichten, zu ihm zu kommen«, schloss er, während er sich zum Gehen wandte. »Ich weiß nicht, was er von euch will. Aber es scheint dringend zu sein.«

Kapitel 10
    W ie sich zeigte, war der Grund für Hasans Einladung ein wahres Festmahl, das auch für die doppelte Anzahl an Gästen ausgereicht hätte, ganz egal, wie angestrengt sich Abu Dun auch bemühte, einen möglichst großen Teil davon allein zu vertilgen. Nicht nur Hasan selbst und alle seine Assassinen hatten sich um den großen Tisch versammelt, sondern auch noch eine Anzahl anderer Männer, die Hasan ihnen als die Besatzung der Pestmond vorstellte, des Schiffes, das sie nach Italien bringen würde, sowie zwei weitere Männer, die er gar nicht erst vorstellte und von denen Andrej annahm, dass sie aus der Stadt stammten.
    Andrej war nicht nach Gesellschaft zumute und schon gar nicht nach feiern, obwohl sich nach und nach eine ausgelassene Stimmung breitmachte, die wohl auch auf den ungewohnten Luxus eines schmackhaften Essens und die Aussicht auf eine Nacht in einem bequemen Bett zurückzuführen war. Selbst die Assassinen wirkten entspannt, obwohl Andrej bis zu diesem Moment bezweifelt hatte, dass sie überhaupt lachen konnten. Zum ersten Mal seit Langem hatte er das Gefühl, nicht angestarrt und misstrauisch belauert zu werden.
    Vielleicht lag es am Wein. Auch Hasan schien es nicht allzu genau zu nehmen mit den Regeln, die der Prophet in dieser Hinsicht aufgestellt hatte, denn es blieb nicht bei dem halben Schlauch Wein für Abu Dun – den er bekam und auch ganz allein austrank –, er sorgte auch dafür, dass die Becher und Pokale seiner Männer niemals leer wurden. Andrej entging nicht, wie diszipliniert die Assassinen trotz aller Ausgelassenheit waren. Niemand war wirklich betrunken, und er bezweifelte auch keine Sekunde lang, dass es nur eines Fingerschnippens bedurfte, damit sie augenblicklich wieder die gefährlichen Krieger wurden, als die er sie kannte.
    Eine Stunde nach Sonnenuntergang erklärte Hasan den Abend für beendet mit Hinweis darauf, wie früh sie alle am nächsten Morgen aufbrechen mussten, um die einsetzende Flut und damit den besten Moment zum Auslaufen nicht zu verpassen. Daraufhin zogen sich sowohl seine Männer als auch der Großteil der anderen Gäste gehorsam zurück. Als Abu Dun und er jedoch ebenfalls gehen wollten, winkte Hasan sie heran und deutete auf den frei gewordenen Platz neben sich. Abgesehen von ihm selbst war nur Ali zurückgeblieben sowie ein dunkelhaariger Europäer mit sonnenverbranntem Gesicht, der robuste Kleider trug und die schwieligen Hände eines Mannes hatte, der schwere Arbeit gewohnt war. Als er Andrejs Blick bemerkte, schob der Dunkelhaarige einen Stapel Papiere zusammen, die mit ihren grob gekritzelten Angaben und hastig aufgedrückten Stempeln unschwer als Schiffsdokumente zu erkennen waren.
    »Nur noch einen Moment, Andrej. Ich möchte dir Signore Vercelli vorstellen. Kapitän

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