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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Schreibtisch ist. Jakkelsen kommt über die Koje. Ich habe das Gefühl, keinen Körper zu haben, schaue also nach unten. Zuerst kommt es mir vor, als würde eine weiße Flüssigkeit aus mir herauslaufen. Dann sehe ich, daß ich beim Fallen das Handtuch mitgezogen habe. Er taucht über der Bettkante auf. Ich hebe die Kugel vom Boden ab, verkürze das Handtuch auf die halbe Länge, lege die rechte Hand auf die linke und ziehe mich mit gestreckten Armen nach oben.
    Es trifft ihn unter der Kinnspitze. Sein Kopf wird nach hinten gerissen, der Körper folgt langsamer und wird zur Tür hingeschleudert. Einen Moment lang tasten seine Hände nach hinten und finden in der Klinke eine Stütze. Dann gibt er auf und sinkt zu Boden.
    Ich bleibe eine Weile stehen. Dann krebse ich über die drei Meter Kajütendielen und stütze mich dabei auf das Bett, den Schrank und das Waschbecken, vom Nabel abwärts gelähmt. Ich hebe den Marlspieker auf und nehme das Röhrchen aus seiner Tasche.
    Er braucht lange, bis er zu sich kommt. Ich warte und klammere mich an den Marlspieker. Er befühlt seinen Mund, spuckt in die Hände. Es kommen Blut und hellere, feste Stücke.
    »Du hast mir das Gesicht verschandelt.«
    Die Hälfte eines oberen Schneidezahns ist abgeschlagen. Man sieht es, wenn er spricht. Sein Zorn ist verebbt. Er sieht aus wie ein Kind.
    »Gib mir das Röhrchen, Smilla.«
    Ich hole es aus der Tasche und lasse es auf meinem Schenkel balancieren.
    »Ich will den vorderen Laderaum sehen«, sage ich.
     
    Der Tunnel beginnt im Maschinenraum. Eine in den Fußboden eingelassene kleine Treppe führt zwischen den Stahlträgern des Motorenfundaments hinunter. An ihrem Ende öffnet sich eine wasserdichte Feuertür zu einem schmalen Gang, in dem man gerade eben aufrecht stehen kann und der weniger als einen Meter breit ist.
    Sie ist abgeschlossen, aber Jakkelsen schließt sie auf.
    »Drüben, auf der anderen Seite der Maschine, führt ein Tunnel wie der hier unter den Zwischen- und Bodenräumen des Achterdecks hindurch zu den Wingtanks hinunter.«
    In meiner Kajüte hat er auf meinem Taschenspiegel eine kurze, dicke Pulverbahn ausgelegt und sie direkt durch das eine Nasenloch hochgezogen. Das hat ihn in einen souveränen und selbstsicheren Führer verwandelt. Aber er lispelt wegen des zerschlagenen Schneidezahns.
    Auf dem rechten Fuß kann ich kaum stehen. Er ist geschwollen wie bei einer starken Verstauchung. Ich halte mich hinter Jakkelsen, und ich habe die Spitze des kleinen Kreuzschraubenziehers in einen Korken gedrückt und ihn in meinen Hosenbund gesteckt.
    Er macht das Licht an. Alle fünf Meter eine nackte Birne mit Drahtnetz.
    »Er ist fünfundzwanzig Meter lang. Reicht vor bis zum Anfang des Vorderdecks. Darüber ist ein Laderaum von 34.500 Kubikfuß und darüber noch einer von 23.000 Kubikfuß.«
    An den Tunnelwänden bilden die Spanten ein dichtes Gitter. Er legt die Hand darauf.
    »Zwanzig Zoll. Zwischen den Spanten. Die Hälfte dessen, was üblich ist bei einem Viertausendtonner. Anderthalbzöllige Platten im Bug. Das gibt eine zwanzigmal stärkere Festigkeit, als sie die Versicherungsgesellschaften und die Seeberufsgenossenschaft für Eisfahrten verlangen, verstehste. Deshalb habe ich gewußt, daß wir ins Eis hochfahren.«
    »Wie kommt es, daß du was von Schiffen verstehst, Jakkelsen?«
    Er richtet sich auf. Ganz Charme und überschüssige Energie.
    »Du kennst doch sicher den Seehelden Peder Most? Ich bin Peder Most, verstehste. Ich bin in Svendborg geboren, genau wie er. Ich habe rote Haare. Und ich gehöre in die alte Zeit. Als die Schiffe noch aus Holz und die Seeleute aus Eisen waren. Jetzt ist es umgekehrt.«
    Er fährt sich durch die roten Locken, damit sie salzwasserfrisch und forsch hochstehen.
    »Ich hab auch die Modefigur von ihm. Hab mehrere Angebote als Dressman bekommen. In Hongkong haben mal zwei mit mir einen Vertrag gemacht. Die waren aus der Branche. Denen war meine Haltung schon von weitem aufgefallen. Am nächsten Tag hatte ich meinen ersten Fototermin. Damals fuhr ich als Schiffsjunge. Der Abwasch war nicht zu schaffen, verstehste. Also habe ich das ganze Besteck und Porzellan aus dem Bullauge gekippt. Als ich dann zu ihnen ins Hotel kam, waren sie leider abgereist. Der Käpten hat mir für den Taucher, der das Geschirr hochholen mußte, 5.000 Kronen von der Heuer abgezogen.«
    »Die Welt ist ungerecht.«
    »Das ist sie wirklich, Mann. Deswegen bin ich nur Matrose. Ich fahre schon seit sieben Jahren zur

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