Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
wechselte in den Schneidersitz und zog ihren Pullover aus. Darunter trug sie ein ärmelloses eng anliegendes Rippshirt, das ihre Figur betonte. Ihre Arme waren gebräunt und von Sommersprossen übersäht. Hogart fielen die feinen blonden Härchen an den Unterarmen auf, von denen sich einige aufrichteten, da Ivona ein kurzer Kälteschauer erfasste. Hogart schob einige Kissen unter dem Ellenbogen zusammen und machte es sich auf der Couch bequem.
»Bisher hatte ich es nur mit einfachen Fällen zu tun, Einbruch, Diebstahl, Fälschung, Erpressung, Entführung«, begann sie zu erzählen. »Aber der Fall, an dem ich jetzt dran bin, ist eine harte Nuss.«
Hogart entging nicht, dass sie einen Blick zur Kommode warf, auf der das braune Kuvert lag. Möglicherweise hatte ihr Greco erneut Unterlagen beschafft.
»Vor acht Monaten verschwand Hana Zajicova, die Frau des Sozialreferenten der deutschen Botschaft in Prag. Eine Frau aus reichem Hause und Mutter zweier Söhne. Eine Flucht aus der Ehe kam nicht in Frage, ebenso wenig eine Entführung, da keine Lösegeldforderung gestellt wurde. Die Frau blieb vermisst, die Kripo war ratlos. Am Morgen des ersten Februar fanden die Männer der Müllabfuhr in einer Seitengasse der Altstadt, in der Nähe des Moldauufers, eine weibliche Leiche. Der Mörder hatte sie in ein schwarzes Samttuch gewickelt.«
Ivona hob einen Ordner vom Boden auf, blätterte durch die Klarsichtfolien und zog schließlich eine große Schwarz-Weiß-Aufnahme hervor. Hogart kannte die Art und Weise, mit der das Foto aufgenommen worden war. Gelegentlich arbeitete er mit Rolf Garek von der Wiener Kripo zusammen. Ein Maßstab kennzeichnete die Größenverhältnisse, Nummerntafeln lehnten an der Hausmauer, eine Kreidelinie war um die Leiche gezogen, und dahinter befand sich der von der Spurensicherung gesteckte Trampelpfad für die Ermittler. Hogart hielt die typische Aufnahme eines Kripofotografen in Händen.
»Kopf und Hände der Leiche fehlen«, stellte er fest.
»Und wurden bis jetzt nicht gefunden. Einige Monate lang ist es der Polizei gelungen, diese Information vor der Presse geheim zu halten, um falsche Bekenneranrufe auszufiltern. Der richtige Anruf ist bis heute ausgeblieben.«
»Wie sind Sie zu diesem Foto gekommen?«
»Ich kenne jemanden bei der Mordgruppe.«
Hogart nickte. Er verstand. Eine Hand wusch die andere. »Und wer hat Sie engagiert, den Mord aufzuklären?«
»Obwohl es unüblich ist, beauftragte mich Dr. Zajic, der Mann der Ermordeten. Seit vier Monaten bin ich an dem Fall dran, aber sämtliche Spuren führen ins Nichts. Auch die Gruppe Jan Moraks, zu der die besten Ermittler zählen, brachte bis heute keine Erfolge.« Ivona seufzte. »Wie soll ich etwas aufklären, wenn nicht einmal die Kripo etwas herausfindet? Ich verschwende bloß Dr. Zajics Geld. Sie kennen das bestimmt von Ihren eigenen Aufträgen. Manchmal ist man auf der richtigen Spur, manchmal steckt man in der Sackgasse.« Sie zuckte die Achseln. »Jedenfalls ist Dr. Zajic bereit, noch einen weiteren Monat Geld zu investieren, denn möglicherweise ergibt sich eine neue Spur bei den Morden.« Unbewusst deutete sie mit dem Kopf zur Kommode, auf welcher der braune Umschlag lag.
»Bei den Morden?«, fragte Hogart.
Ivona nickte. »Es ist nicht bei der Leiche von Hana Zajicova geblieben. Der Mörder schlägt einmal im Monat zu. Die Medien nennen ihn den Samttuchmörder, weil er seine Opfer mit einem schwarzen Tuch bedeckt.« Sie erhob sich aus dem Schneidersitz, um das oberste Fach eines Schranks zu öffnen. Darin lag eine Wäscheleine, die sie quer durch den Raum spannte und an einem Haken an der gegenüberliegenden Wand befestigte. An der Leine hingen acht Schwarz-Weiß-Aufnahmen von köpf- und handlosen Leichen. Wie makabere Souvenirs eines Kuriositätenkabinetts baumelten die Bilder an der Schnur. Im gleichen Moment knackten die Holzbohlen des Stegs, der um den Pfahlbau führte. Hogart sah zum Fenster.
»Um diese Jahreszeit knarrt das Holz immer«, beruhigte Ivona ihn. Sie deutete auf die ersten Bilder. »Als die zweite und dritte Leiche gefunden wurden, dachte die Kripo zunächst an einen Bandenkrieg, eine Abrechnung in der Unterwelt. Doch von Ondrej wusste ich, dass sich Greco, Cizek, Polasek und all die anderen zu diesem Zeitpunkt ruhig verhielten. Außerdem passten die Opfer in kein Schema. Es handelte sich um einen Rentner und eine Prostituierte.«
»Warum hat Dr. Zajic ausgerechnet Sie engagiert?«
Sie wehrte mit einer
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