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Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers

Titel: Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lötz , Peter Neururer
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will.
    »Trainer«, sagt Dariusz Wosz, »Sie sind wahnsinnig!«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagt Neururer, »wir gewinnen heute gegen Mainz, und damit ist das Ding erledigt.«
    Neururer baut auch auf den jetzt zum Einsatz kommenden Ersatztorwart Christian Vander. Nach der Roten Karte von Stammtorhüter Rein van Duijnhoven beim 1:3 in München war klar, dass Vander gegen Mainz an diesem viertletzten Spieltag im Tor stehen wird. Zudem hat Neururer dem 24-jährigen Vander in den Tagen vor dem Spiel erklärt, dass er künftig die Nummer eins sein werde - eine zusätzliche Motivation. Mitvan Duijnhoven ist längst verabredet, dass er ab der kommenden Saison als Torwarttrainer für den VfL arbeitet. Diese Vereinbarung stellt insofern kein Problem dar, weil Rein van Duijnhoven und Christian Vander ohnehin sehr gut miteinander auskommen.
    Wichtig ist in solchen Situationen, dass der verdrängte Keeper einsichtig ins zweite Glied oder auf eine andere Position rückt - oder den Verein verlässt. Denn was für alle Positionen gilt - die Stimmung auf der Bank entscheidet über die Stimmung im Team -, gilt für den Posten des Torwarts insbesondere. Gibt es keine Entscheidung für eine klare Nummer eins, ist dies gleichbedeutend mit Unruhe im gesamten Team, denn der Torhüter ist der Chef der Abwehr, er hat mit seiner Sicher- oder Unsicherheit eine entscheidende Wirkung auf die Mannschaft.
    Beim VfL Bochum droht die Situation in dieser Saison Trainer Peter Neururer um die Ohren zu fliegen, weil Christian Vander im Training bärenstarke Leistungen abliefert und sich damit für die Position der Nummer eins geradezu aufdrängt. Jetzt hat Vander das Schicksal in seinen Händen. Macht er ein gutes Spiel gegen Mainz, ist er ab sofort die neue, unumstrittene Nummer eins.
    Beim fürchterlichen 2:6 spielt die ganze Mannschaft schlecht, wobei Christian Vander einen besonders schwarzen Tag erwischt. Vier der sechs Tore muss er halten. Er ist beim Publikum durch, und die noch nicht einmal richtig in Gang gekommene Karriere Vanders ist mit diesem einen Spiel im Prinzip beendet. Er wechselt nach Abschluss der Saison zu Werder Bremen.
    Der Niederlage gegen Mainz folgt eine Woche später ein weiterer herber Rückschlag. In seinem 500. Spiel als Profitrainer verliert Neururer mit 1:2 gegen den 1. FC Nürnberg. Auch die abschließenden Siege gegen den VfB Stuttgart und den Hamburger SV bringen keine Wende mehr. Am 23. Mai wird der Schweizer Marcel Koller als Nachfolger Neururers bekannt gegeben.
    »Ich habe in meinem Leben als Trainer zwei große Fehler begangen«, sagt Neururer. »Der eine war, Hertha BSC zu übernehmen, weil ich vor dem FC Schalke wieder in der Ersten Liga sein wollte. Der zweite Fehler war, nach meinem freiwilligen Rücktritt in Bochum zu meinem Wort zu stehen und den Verein zu verlassen - statt einen Rückzieher zu machen.«
    Nach dem verlorenen Spiel kommt Neururer in einen Raum, in dem neben Präsident Altegoer noch der Physiotherapeut, Co-Trainer »Funny« Heinemann und Mannschaftsarzt »Doc« Bauer stehen. Neururer ist fix und fertig, er sagt zu Heinemann:
    »Funny, geh du und mach die Pressekonferenz.«
    »Wieso?«, fragt Heinemann.
    »Ich hab mit dem Spiel meinen Job verloren. Wir sind abgestiegen.«
    »Das meinst du jetzt nicht ernst«, sagt Heinemann zu seinem Freund Neururer. »Das machst du doch nicht!?«
    »Ich hab's gesagt«, sagt Neururer.«
    »Aber das machst du doch nicht!?«, wiederholt Heinemann; er hat Tränen in den Augen.
    Neururer auch.
    Die umstehenden Herren reden auf Neururer ein und versuchen, ihn zum Verbleib im Amt zu überreden. Altegoer erinnert den Trainer daran, dass er weitere drei Jahre Vertrag beim VfL hat.
    »Es ist egal«, erklärt Neururer, »ich hab das vorher so gesagt, da muss ich jetzt auch zu stehen.«
    Am nächsten Tag kommt der gesamte Spielerrat bei Neururer zu Hause in Gelsenkirchen vorbei. Neururers engste Mitarbeiter reden auf Antje Neururer ein, sie solle ihren Mann doch bitte umstimmen. Sie bemüht sich inständig, aber auch ihr Versuch bleibtwie alles andere erfolglos. Von seinem Vater Adolf hat Neururer neben der Pünktlichkeit auch Geradlinigkeit erlernt. Dass man zu seinem Wort steht, komme, was wolle. Und obwohl Neururer innerlich an seiner Entscheidung zerbricht, hält er sie aufrecht. Er verlässt nicht nur einen Verein, den er liebt, nicht nur eine Umgebung und ein Arbeitsverhältnis, das er später immer wieder als »einmalig im deutschen Profifußball« beschreiben

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