Peter Walsh - Gesamtausgabe Teil 1 - 4 zum Sonderpreis, Thriller (German Edition)
der kurzen Zeit, wo er mit ihr zusammen war, hatte Melanie nur positive Worte über ihre Eltern verloren. Sie waren ihr Vorbild und sie wollte irgendwann mit einem Mann an ihrer Seite so glücklich sein wie ihre Eltern. Dass Melanie in Walsh diesen Mann sah, hatte sie ihm nie persönlich erzählt.
Jetzt, wo er vor dem Haus stand, wünschte er sich, dass er dieser Mann wäre. Dass dieses Haus sein Haus war und dass im Haus seine Frau Melanie und seine Tochter Nina auf ihn warten würden. Sobald er die Tür öffnete, würde Nina angerannt kommen und ihrem Vater vor Freude entgegenspringen. Ihr Papa würde sie auf die Arme hochheben und ihr einen Kuss geben, sie kitzeln und kuscheln, als nächstes hätte er seine Ehefrau Melanie in die Arme genommen, ihr einen Kuss gegeben und sie hätten sich alle drei umarmt. Glücklich wären sie in den Garten gegangen ...
Die Wahrheit jedoch war eine andere. Nina war ihre Tochter, aber Nina wurde entführt und er hatte sich nie bei Melanie gemeldet, ihr nie gesagt, dass er sie eigentlich mochte. Stattdessen hatte sie den Kontakt zu ihm gesucht, ihm mitgeteilt, dass sie ein gemeinsames Kind haben und er, er hatte nie die Möglichkeit gehabt, ihr zu antworten, weil der Geheimdienst andere Absichten mit seinem Leben hatte. Sie wollten schließlich ihren loyalsten und dümmsten Esel nicht verlieren. Der Esel, dem keine Gefahr zu groß war, der jede Mission erfolgreich beendete, dem Menschenleben und Familie egal waren, solange er seiner Behörde gegenüber loyal sein konnte.
Aber sie hatten sich geirrt, Walsh war die Familie nicht egal. Und genau deswegen war es eskaliert. Und irgendwann, so schwor er es sich in diesem Augenblick, würde er sich die Behörde vorknöpfen und die wahren Hintergründe des Autoanschlags herausfinden. Und wenn die Behörde ihm in irgendeiner Weise Informationen vorenthalten hatte, würde er die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen.
In Walsh Seele war sehr viel Hass und unkontrollierbare Wut!
Walsh öffnete die Eingangstür des Zaunes und betrat den Vorgarten. Seine Schritte entsprachen seinem Selbstbewusstsein. Je näher er der Haustür kam, desto langsamer wurden sie und wieder wurden seine Hände feucht vor Nervosität. Er hoffte, dass sie hier war. Jede Stunde, die er verlor, war eine Stunde die Nina vielleicht nicht hatte.
An der Haustür angekommen drückte er die Klingel, doch nichts geschah. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, tatsächlich waren es aber vielleicht gerade mal zwanzig Sekunden, die er gewartet hatte, ehe er die Klingel ein zweites Mal drückte. Und wieder geschah nichts. Walsh verzweifelte.
„Fuck, wo ist sie?“, fluchte er leise vor sind hin, da er die Anspannung nicht länger ertrug. Hiergegen war jede Mission, die er bis jetzt ausgeführt hatte, ein Kinderspiel. Lieber hätte er im tiefsten Afghanistan eine Horde von Al-Kaida Terroristen gejagt, als sich dieser Wahrheit zu stellen. Aber das Leben war wie es war, es änderte selten seine Gegenwart und schon gar nicht seine Vergangenheit, auch dann nicht, wenn sie einen in der Zukunft einholte.
Gerade, als Walsh ein drittes Mal die Klingel betätigen wollte, öffnete sich die Tür.
Walsh erschrak kurz, seine Mundhöhle war ganz trocken, hatte er doch mit Melanie gerechnet. Aber am Eingang stand ein alter Mann.
„Ja, bitte?“, fragte der alte Mann mit gebrochen leiser Stimme. Walsh spürte sofort, dass dieser Mann nur der Vater von Melanie sein konnte. Seine Stimme, seine gebückte Haltung, verriet ihm alles. Vor ihm stand ein Mann, dem größter Kummer widerfahren war. Walsh bekam sofort Mitleid mit ihm und hätte am liebsten an Ort und Stelle seinen Tränen freien Lauf gelassen. Nur der Gedanke daran, wie albern das aussehen musste, hielt ihn von dieser Ehrlichkeit zurück. Ein Mann bewahrt Haltung, vor Fremden sowieso, so wurde er erzogen; wie viele andere Männer auch.
„Guten Tag, Herr Vogel, ich würde gerne mit Melanie sprechen.“
„Wer sind Sie denn bitte?“, fragte Vogel.
„Ich bin Peter Walsh, der Vater von Nina“, antwortete Walsh und er konnte sich nicht erklären, warum er ihm direkt und unverblümt die Wahrheit gesagt hatte. Aber er konnte in diesem Moment nicht anders. Es war ihm unmöglich, diesen sympathischen alten Mann, der zwar Haltung bewahrte, aber innerlich schon gebrochen war, anzulügen.
Die Wahrheit, dafür hatte er sich entschieden. Er wollte keinen aus der Familie der Vogels anlügen, denn sie waren auch ein Teil seiner Familie, dessen
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