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Pfad der Schatten reiter4

Pfad der Schatten reiter4

Titel: Pfad der Schatten reiter4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: britain
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der gegenüberliegenden Wand unter dem Fenster stand. Die Mitgifttruhe ihrer Mutter.  In Wirklichkeit hatte es gar keine Mitgift gegeben, denn Karinys Vater war nicht mit Stevic G’ladheon als Ehemann für seine Tochter einverstanden gewesen, und deshalb war das Paar bald nach Stevics Zeit auf der Goldjäger durchgebrannt .
    Ihr Vater hatte die Truhe in Auftrag gegeben, damit ihre Mutter zumindest das Gefühl hatte, für ihre Ehe mit allem gerüstet zu sein, was eine Braut brauchte, um einen eigenen Haushalt zu gründen. Karigan erinnerte sich, dass die Truhe mit feiner Bett- und Tischwäsche gefüllt gewesen war. Sie hatte nicht mehr hineingesehen, seit sie ein Kind gewesen war.
    Jetzt ging sie mit zögernden Schritten darauf zu und stellte ihre Lampe auf einem Nachttisch ab. Sie kniete sich vor die Truhe und strich mit der Hand über das Mahagoniholz, und ihre Finger tasteten über die Schnitzereien von Muscheln und
Schiffen. Zu beiden Seiten des Schlosses standen ein Mann und eine Frau, die einander an den Händen hielten. Seevögel kreisten über ihren Köpfen, Wolken ballten sich am Himmel, und hinter ihnen sah man die Strahlen der Sonne.
    Die Truhe war nicht verschlossen. Karigan hob den Deckel und roch den starken Duft von Zedernholz.
    Drinnen fand sie aber nicht nur die Wäsche, die sie erwartet hatte, sondern auch andere, überraschende Gegenstände. Da war ein großes Trompetenschneckenhaus, wie man es an den Stränden der Wolkeninseln fand. Auch Karigan besaß einige, die ihr Vater ihr von seinen Reisen mitgebracht hatte und die auf dem Kaminsims in ihrem Schlafzimmer standen. Aber dieses Exemplar war riesig. Sie nahm es heraus und legte es vorsichtig zur Seite.
    Darunter lag das Kleid eines Säuglings, frisch und weiß, mit einer blau-gelben Stickerei am Saum. Die Stickerei war begonnen, aber nie zu Ende geführt worden.
    »Oh, ihr Götter«, murmelte Karigan. Dieses Kleid hatte nicht ihr gehört, sondern ihre Mutter hatte es für das Kind genäht, das sie erwartet hatte, für das Baby, das nie geboren wurde.
    Als sie die Truhe ihrer Mutter weiter durchstöberte, fand sie Kleider, einige für die Schwangerschaft erweitert. Darunter entdeckte sie ein elegantes Kleid aus elfenbeinfarbener Seide. Sie konnte die Gegenwart ihrer Mutter beinah neben sich spüren, als sie das Kleid an sich drückte, als würde sie ihre Mutter umarmen. Ihnen war so wenig Zeit miteinander vergönnt gewesen.
    Karigan setzte sich auf das Bett ihres Vaters und versuchte, sich ihre Mutter in diesem Kleid vorzustellen, wie sie mit ihrem Vater vor dem Altar von Aeryc stand und gemeinsam mit ihm vor dem Mondpriester und den Zeugen die Gebete rezitierte.

    Sie seufzte und presste ihr Gesicht in die Seide, als versuchte sie, etwas von der Essenz ihrer Mutter darin zu spüren, aber sie roch lediglich den Duft des Zedernholzes, der jedem lange in einer Truhe aufbewahrten Kleid anhaftete.
    Mit dem Kleid in den Armen rollte sie sich auf dem Bett zusammen und schlief schließlich erschöpft ein.
     
    Als Karigan aufwachte, fiel Tageslicht ins Zimmer. Einen Augenblick lang vergaß sie, wo sie war, setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Sie schob ihre Decke weg. Nein, das war ja das Kleid ihrer Mutter. Dann erinnerte sie sich – sie war im Zimmer ihres Vaters. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen.
    »Na«, sagte Tante Stace, die neben dem Kamin stand und Karigan aufgeweckt hatte, in bitterem Ton. Sie hielt einen Schürhaken in der Hand und war hellwach. »Guten Morgen. Die zehnte Stunde ist bereits angebrochen.«
    »Es fühlt sich nicht so an«, murmelte Karigan.
    »Das kann ich mir vorstellen. Es scheint, dass du und dein Vater sehr lange aufgeblieben seid.«
    »Wo ist er?«, fragte Karigan, die nicht verstand, warum er sie nicht aus seinem Zimmer hinausgeworfen hatte.
    »Er wirtschaftet mit seinem Schneeschuhen draußen herum. Um acht kam er kurz herein, auf einen Tee und ein Küchlein, und dann ging er gleich wieder weg.« Tante Stace schüttelte ratlos den Kopf. »Er sagte, er wolle den Zustand des Grundstücks und der Straßen prüfen.«
    Karigan zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Warum?«
    Tante Stace verdrehte die Augen. »Wenn ich darauf einen Antwort wüsste, Kari-Mädchen, dann würde ich sie dir sagen. Du weißt ja, wie er ist, wenn er sich etwas in den Kopf setzt.«
    Karigan nickte. Sie wusste es nur allzu gut. Nichts konnte ihn dann aufhalten, egal wie viele Hindernisse sich vor ihm auftürmten – nicht einmal ein

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