Pfad der Schatten reiter4
dieser Gefühle hatte er Sacor-Stadt verlassen, als seine Brosche ihn aus dem Botendienst entlassen hatte, und nun war er doch wieder hier, und Regenwasser tropfte von seinem Mantel auf einen Teppich, der viel mehr wert war als sein armseliger Balg; er senkte den Blick vor den Respektspersonen.
Die Wache vor Reds Tür rümpfte bei seinem Anblick die Nase. »Was willst du, alter Mann?«
»Ich bin gekommen, um Hauptmann Mebstone zu sehen.«
»Geh weg. Es sind nur ganz bestimmte Besucher zugelassen. Befehl der Königin.«
»Aber …«, begann Elgin.
»Verschwinde!«, sagte die Wache.
Eine Waffe tauchte plötzlich aus den Schatten auf, zumindest wirkte es so. Elgin erinnerte sich, dass dieser Mann Fastion hieß. Es war nicht leicht, sich die Namen der Waffen zu merken, denn mit ihrem steinernen Gesichtsausdruck und ihrer schwarzen Kluft sahen sie alle gleich aus. Elgin hatte den Verdacht, dass sie diese Einheitlichkeit absichtlich förderten, da sie es ihnen erlaubte, mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Kein einzelnes Individuum zog die Aufmerksamkeit auf sich.
»Lassen Sie ihn herein«, befahl Fastion mit gebieterischer Stimme. »Die Königin hat seinen Besuch gebilligt.«
»Jawohl, Herr«, sagte die Wache, drehte sich prompt auf dem Absatz um, klopfte an der Tür und öffnete sie für Elgin.
»Danke«, sagte Elgin zu Fastion, und die Waffe nickte.
Das Gemach, das Elgin betrat, barst geradezu vor Luxus,
von den Polstersesseln bis zu den Kunstgegenständen, die sogar für sein ungeschultes Auge eindeutig von höchster Qualität waren. Es war tatsächlich eine Suite, denn sie bestand aus Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad. Sie war viel größer als alles, was er je im Leben bewohnt hatte.
Er hatte erwartet, hier einen erbosten Reiterhauptmann vorzufinden, der wie wahnsinnig auf und ab lief. Stattdessen lag Red gemütlich auf einem Sofa, die nur mit Socken bekleideten Füße bequem hochgelegt, und las in einem Buch. Vor dem Sofa auf einem Tisch stand ein Tablett mit einer Teekanne und Gebäck. Elgin glaubte, dass er sie niemals so entspannt gesehen hatte.
Red spähte über ihr Buch hinweg, um zu sehen, wer hereingekommen war. Es dauerte einen Moment, bis sich das Erkennen in ihren Augen abzeichnete, doch dann ließ sie das Buch fallen und sprang auf.
»Meister!«, rief sie. »Was für eine wundervolle Überraschung.« Sie lief auf ihn zu und umarmte ihn. »Ich habe euch alle so vermisst.« Sie umarmte ihn nochmals, bat ihn zum Sofa und goss ihm Tee ein.
»Du bist ja behaglich untergebracht«, bemerkte er trocken.
Sie grinste. »Diener wuseln um mich herum, ich kriege die feinsten Speisen aus der Küche, und außerdem das alles.« Sie wies mit einer Geste auf die Suite. »Aber lass dich nicht täuschen. Innerlich bin ich am Kochen. Aber zumindest habe ich es bequem. Ich bin fast verrückt geworden vor Langeweile, bis Destarion mir die gebracht hat.« Sie deutete auf einen Stapel verstaubter Bücher auf dem Tisch, ähnlich dem, das sie gelesen hatte. Manche waren so groß wie Aktenordner, manche waren viel kleiner, ihre Lederumschläge völlig schmucklos. Elgin schlug eins davon auf, dessen Seiten mit einer engen Handschrift bedeckt waren.
»Was sind das für Bücher?«, fragte er.
»Fallchroniken der Heiler. Dies ist nur ein kleiner Stapel. Destarion hat seinen Lehrlingen befohlen, auch die anderen zu durchsuchen.«
»Wonach?«
»Wir suchen nach Hinweisen auf Reiter – oder auch auf andere Leute –, die echte Heilerfähigkeiten besaßen, so wie Ben. Ich hoffe, wir finden irgendetwas, aus dem hervorgeht, wie wir ihm helfen können. Bis jetzt war noch nichts dabei, aber dafür gab es einige Hinweise auf mich . Ich bin sicher, Destarion hat mir absichtlich ausgerechnet diese Chroniken zur Durchsicht gegeben.«
»Wovon sprichst du?«
»Die Heiler, die über meine verschiedenen Verletzungen Buch führten, haben sich ausführlich über meinen Jähzorn beklagt. Wenn ich bei Bewusstsein war, heißt das. Ein Heiler hat sogar erwähnt, dass es ihm lieber war, wenn ich ohnmächtig war.« Sie runzelte die Stirn.
Elgin hätte fast in seinen Tee geprustet. Stattdessen hustete er, geschüttelt von unterdrücktem Gelächter. Er erinnerte sich daran, was für eine schwierige Patientin sie sein konnte.
Sie hob eine Augenbraue. »Lachst du mich etwa aus?«
»Nein, nein, natürlich nicht.«
»Natürlich nicht.« Sie verdrehte die Augen. »Jedenfalls hat Destarion mir heute Morgen erzählt, dass sowohl
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