Pfad der Schatten reiter4
übermäßig laut zu sein, und Amberhill hoffte, dass keiner seiner Diener davon geweckt wurde.
Yap kam ungeschickt auf die Füße und sah sich im schwachen Licht der Bibliothek misstrauisch um. Die Regale waren fast leer. Auf dem Boden standen einige Koffer und Packkisten.
»Setz dich«, sagte Amberhill und deutete auf einen der wenigen verbliebenen Sessel.
Yap tat zunächst zögernd, wie ihm geheißen, aber dann ließ er sich mit einem vergnügten Laut in das üppige Polster sinken und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. Amberhill hoffte, dass der Piratengestank dem Stoff nicht anhaften würde.
Er blieb mit verschränkten Armen stehen und betrachtete seinen Gast, konnte aber außer der zerlumpten Kleidung, den unrasierten Wangen und den ungepflegten grauen Haaren nichts erkennen.
»Ihr müsst sehr reich sein, Herr«, sagte Yap.
»Reicher als viele andere«, antwortete Amberhill, »nicht zuletzt dank eines Piratenschatzes.« Falls seine Worte irgendeine Wirkung auf Yap hatten, konnte er sie in dem schwachen Licht nicht erkennen. »Was kannst du mir über den Drachenring erzählen?«
»Habt Ihr mich deswegen hierher gebracht, Herr?«
»Ich habe ja gesagt, dass ich einige Fragen habe.«
»Was ist, wenn ich keine Antworten habe?«
»Dann schicke ich dich wieder weg.«
Yap schnappte nach Luft. »Ihr werdet mich dann nicht umbringen? Nicht mal, weil …« Er klopfte sich auf die Brust, um auf den Schatz darin hinzuweisen.
»Ich bringe dich nur um, wenn du mir einen Grund dazu gibst.«
Schweigen erfüllte den Raum, als Yap über diese Worte nachdachte. »Das klingt gut. Und wenn meine Antworten Euch gefallen? Ich hab kein Schiff mehr. Der alte Yap weiß nicht mehr, wohin.«
Es überraschte Amberhill nicht, dass Yap auf eine kleine Belohnung hoffte. Schließlich war er vor allem Pirat.
»Ich bin sicher, du wirst zufrieden sein. Falls deine Informationen gut sind.«
Yap brauchte einen Moment, um auch über diese Worte nachzudenken, und sagte dann: »Es gilt. Ich werd Euch sagen, was ich über den Ring weiß. Es fängt bei den Seekönigen an.«
YAPS GESCHICHTE
Das Licht in der Bibliothek färbte sich in der aufgehenden Sonne grau. Yap sah aus wie eine Bleistatue, als er da so bewegungslos im Sessel saß. Würde er in einem aufblitzenden Lichtstrahl verschwinden, sobald der Morgen wirklich anbrach? Diese Piraten waren nicht ganz irdisch, aber ob dies am Einfluss irgendeiner äußeren Macht lag oder an irgendeiner Eigenschaft der Piraten selbst, wusste Amberhill nicht. Er musste nur an den Schatz denken, den er ihren schnell verrottenden Körpern entnommen hatte, um zu wissen, dass irgendetwas Obskures bei ihnen am Werk war. Er erinnerte sich, dass Kapitän Bonnet einen Fluch erwähnt hatte.
Yap verschwand jedoch nicht, sondern räusperte sich. »Soweit ich mich erinnere, war Kapitän Bonnet immer besessen vom Schatz der Seekönige. In jedem Hafen hat er den Geschichten zugehört, über die Reichtümer, die die Seekönige besaßen. Komisch, dass diese Geschichtenerzähler uns nie irgendwelche Beweise zeigen konnten, dass die Geschichten wahr waren, und sie konnten uns auch nie sagen, wer vielleicht noch einen Teil des Schatzes hatte, aber das hat den Käptn nicht aufgehalten. Oh nein. Sehr oft lief er eine Insel an, die vielleicht zu einer Geschichte passte, und hieß uns graben, um den Schatz zu suchen.
Einmal fanden wir etwas halb vergraben an einem Strand. Ein goldener Halsring mit einem Drachenkopf drauf. Nicht
viel wert, wenn man den Erlös unter der ganzen Mannschaft aufteilt, aber es war genug, um den Käptn in seiner Besessenheit zu bestärken, also segelten wir wieder los und jagten einem anderen alten Gerücht nach. Natürlich übernahmen wir immer noch Schiffe und ihre Fracht, was jeder Pirat macht, der was auf sich hält, sonst hätte der Käptn eine Meuterei am Hals gehabt, wenn wir nur Geister gejagten hätten und nichts dabei rausgekommen wäre.«
»Und wie sind die Gerüchte zu Schätzen geworden?«
»Tja, das war ein Sturm, Herr. Ein Herbstreißer, hätte mein alter Vater dazu gesagt. Wir waren auf dem Nordmeer, und der Sturm war so schlimm, dass wir vor einer kleinen Insel auf Grund liefen. Wir haben wochenlang repariert und stöberten auf der Insel herum. Und dann fanden wir das Grab, Herr. Das heißt, Hundeohr fiel hinein. Er geriet immer in Schwierigkeiten, der Hundeohr. Falsch im Kopf getakelt, wenn Ihr versteht, was ich meine.« Yap berührte seine Stirn mit dem
Weitere Kostenlose Bücher