Pfad der Schatten reiter4
eine Blöße gegeben. Ab und zu drangen seine Gefühle an die Oberfläche, wie während ihres letzten Gesprächs über Karigan, aber das geschah äußerst selten.
Wann, fragte sich Laren, hatte er jemals die Möglichkeit gehabt, seinen Leidenschaften nachzugeben und sich so zu zeigen, wie er war? Wie konnte er das alles in seinem Inneren verschlossen halten? Waffenübungen und gelegentliche Jagdausflüge aufs Land halfen ihm sicherlich, aber bestimmt genügte das nicht.
Wann hatte er zuletzt eine Frau gehabt, mit der er seine männlichen Bedürfnisse befriedigen konnte? In der Stadt gab es elegante Kurtisanen, die solche Dienste anboten und von den Adligen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen, auch akzeptiert wurden. Ein solches Ventil hätte ihm in vielerlei Hinsicht helfen können, nicht zuletzt dabei, seine Gedanken von Karigan abzulenken. Ja, sie würde auf jeden Fall ein paar diskrete Erkundigungen einziehen.
»Ich wusste«, sagte Zacharias, »dass sie sich nicht weigern würde. Das entspräche nicht ihrer Natur.«
»Werdet Ihr intervenieren?«
Lange Zeit antwortete er nicht. Die Brise zerzauste sein Haar, und Laren wartete angespannt.
»Ich weiß, aus welchen Gründen Sie sie ausgewählt haben«, sagte er schließlich, »und ich verstehe sie. Ja, ich verstehe alle Gründe. Wenn ich meinen Kopf und mein Herz voneinander trenne, verstehe ich es. Mein Herz will das jedoch nicht akzeptieren.« Er rieb sich das Kinn, den Blick auf die Wolken gerichtet. »Aber ich bin König und muss mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen regieren.«
Larens Schultern entspannten sich vor Erleichterung. »Ich dachte mir, dass Ihr es letzten Endes einsehen würdet.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte er. »Ich werde nicht eingreifen, aber es gefällt mir nicht.«
»Natürlich nicht. Mir gefällt es auch nicht, überhaupt irgendeinen meiner Reiter ausschicken zu müssen.«
»Dann nehme ich an«, antwortete er scharf, »dass ich mir selbst die Schuld geben muss, wenn Karigan in den Schwarzschleier geht. Letzten Endes habe ich die Entscheidung getroffen, dass Reiter an der Expedition teilnehmen sollen.«
Laren wagte nichts zu erwidern. Es gab keine gute Antwort darauf.
»Sie tadeln mich mit Ihrem Schweigen.«
»Aber nein. Ich …«
»Es ist wahr«, unterbrach er, »dass alles auf mich zurückfällt. Die Gefahren, die unser Land bedrohen, werden immer größer, mit Birch im Norden und der Ungewissheit im Süden, und ich weiß, dass viele schwierige Entscheidungen vor mir liegen und diese Entscheidungen viele Opfer verlangen werden, auch unter denen, die mir lieb und teuer sind.«
Laren seufzte. Wie hatte sie je an ihm zweifeln können?
»Es gibt Zeiten«, fuhr er fort, »in denen ich mich frage, wie mein Leben gewesen wäre, wenn ich als Sohn eines Fischers oder Bauern statt als König geboren worden wäre.«
»Sacoridien wäre dadurch ärmer gewesen«, antwortete Laren.
»Das können wir unmöglich wissen. Aber ich glaube, es hätte mir gefallen, Bauer zu sein. Ich glaube, ich hätte einen guten Bauern abgegeben.«
Es fiel Laren nicht schwer, ihn sich auf einem Salzwasserhof in Hillander vorzustellen, wie er Ernten einbrachte und Vieh züchtete. Vielleicht fand er die Idee nicht nur deshalb verlockend, weil dies ihm die wichtigen Entscheidungen erspart hätte, die er fällen musste, um das Reich zu retten, sondern auch, weil er dann mit der Frau seiner Wahl hätte zusammen sein können.
»Ihr seid ein guter König«, sagte Laren fest. »Wir brauchen Euch.«
»Vielleicht wird der Tag kommen, an dem Sacoridien überhaupt keine Könige und Königinnen mehr brauchen wird.«
»Wie? Das ist Unsinn! Das ist eine Rhetorik, die direkt aus den Mündern dieser verrückten Antimonarchisten stammt, die früher Flugblätter vor den Burgtoren verteilt haben. Was hätten wir denn ohne unseren Monarchen? Chaos, nichts anderes.«
»Nicht Chaos, sondern irgendein anderes Regierungssystem. Unser gegenwärtiges System funktioniert, solange wir, wie Sie sagen, einen guten König haben, aber was ist mit den anderen, die mir folgen werden? Die Geschichte hat uns gelehrt, dass der Thron oft Tyrannei bedeutet.«
Laren sah Zacharias intensiv an. Er war immer ein tiefgründiger Denker gewesen, aber noch nie zuvor hatte sie diese radikalen Gedanken von ihm gehört. Er war sich immer seines Platzes und seiner Rolle in der Monarchie sicher gewesen. Sie hoffte, dass niemand anders ihn so reden hörte.
Das Einzige, was sie mit
Weitere Kostenlose Bücher