Pfad der Schatten reiter4
um die Säulen zu erneuern und die Kammer wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.
In der Kammer stand ein Tisch, der auf wundersame Weise der Zerstörung widerstanden hatte, und hier erledigte Alton einen Großteil seiner Arbeit. An einem Ende waren Bücher aufgetürmt. Dale hatte den Turmmagiern Bücher versprochen, wenn sie sich bemühten, das Rätsel des Walls zu lösen, und seitdem hatte Altons Vater ihnen eine große Anzahl Bücher
geschickt. Den Magiern schien es egal zu sein, wovon sie handelten, solange es nur Bücher waren.
»Da seid Ihr ja!«
Alton fuhr bei Merdigens Stimme zusammen. So oft er auch schon in den Turm eingetreten war und Merdigen dort erwartet hatte, gelang es dem Magier doch immer wieder, ihn mit seinem plötzlichen Erscheinen zu überraschen. Alton wandte sich zu ihm.
»Es wurde auch höchste Zeit«, sagte Merdigen und zog an seinem langen, fließenden Bart. Er hatte die Farbe von altem Elfenbein.
Alton wappnete sich innerlich und fragte sich, was der Magier diesmal zu bemängeln hatte.
»Dies ist nicht die beste Methode, ein Buch zu lesen.«
»Was denn?«
»Ihr seid bei Seite zehn von Chettleys Theorien des Lichts weggegangen und nie zurückgekommen, um die Seite umzublättern«, antwortete Merdigen.
Merdigen hatte recht: Dies war nicht die beste Methode, ein Buch zu lesen oder es lesen zu lassen. Merdigen war kein körperliches Wesen und hatte somit keinen Einfluss auf physische Gegenstände. Es war großartig, dass die Magier nun Zugang zu all diesen Büchern hatten, aber es war weniger großartig, dass Alton und Dale die Seiten für sie umblättern mussten.
»Tut mir leid«, sagte Alton, obwohl es ihm überhaupt nicht leidtat. »Wir hatten eine hektische Nacht.« Er berichtete vom Eindringen des Wesens aus dem Schwarzschleierwald und der Ankunft Estral Andovians.
»Es tut mir leid wegen Eurer Soldaten«, sagte Merdigen. »Es tut mir sehr leid. Wir müssen ständig wachsam bleiben.«
»Als ob ich das nicht wüsste«, murmelte Alton.
»Hmm?«
»Nichts, nichts.« Alton ging zum Tisch und begann Papiere zu sortieren.
»Und, wo ist sie?«
»Hmm? Wer?«
»Die Bänkelsängerin.«
»Ach ja, die habe ich weggeschickt.«
»Warum habt Ihr das getan?«
»Es ist zu gefährlich hier.«
»Schade, obwohl Ihr vermutlich recht hattet, sie wegzuschicken.« Merdigen beschwor einen Stuhl herauf und ließ sich darauf sinken. »Es sind viele Jahre vergangen, seit ich richtige Musik gehört habe. Nun ja, Dorleon spielt auf seiner Riedflöte, aber das lässt sich mit der Musik einer Bänkelsängerin aus Selium nicht vergleichen. Absolut nicht.«
Alton hörte kaum zu, während Merdigen über Bänkelsänger, die er gekannt hatte, und die Lieder, die sie gesungen hatten, weiterplauderte. Wahrscheinlich war das trotzdem immer noch besser, als seine Vorwürfe wegen des Zustands der Kammer anzuhören.
Als er endlich seine Papiere sortiert und sich eine freie Arbeitsfläche geschaffen hatte, zog Alton einen Stuhl heran und begann, in seiner Kopie von Theanduris Silberholz’ Buch zu blättern. Er konnte kaum glauben, dass der König ihm befohlen hatte, es zu zerstören, wenn er damit fertig war. Er verstand es zwar, aber glauben konnte er es immer noch nicht. Deshalb nahm sich Alton so viel Zeit wie möglich, um die Worte des großen Magiers, der die Magie des Walls erschaffen hatte, in sich aufzunehmen. Theanduris Silberholz war arrogant gewesen und hatte keinerlei Gefühle für die Opfer gehabt, die er zur Verwirklichung seines Ziels verlangt hatte.
Diese Menschen sind nichts anderes als Vieh, hatte er über diejenigen geschrieben, die gestorben waren. Ihr Opfer wird sie zu einer neuen Existenzebene erheben, und sie werden dem
Land in Form von Stein und Mörtel wesentlich besser dienen, als in Form von Individuen.
Theanduris Silberholz sah sich selbst als großen Erretter, denn der Wall war sein grandioser Plan gewesen, auch wenn die Menschen von D’Yer ihn gebaut hatten, und Tausende waren für seinen Bau geopfert worden. Die wahren Erretter, dachte Alton, waren diejenigen, deren Blut den Wall ermöglicht hatte. Theanduris Silberholz hatte es nicht für nötig befunden, sich selbst zu opfern.
Alton fragte sich, ob der große Magier wirklich besser gewesen war als Mornhavon der Schwarze.
»Ach, Ihr blättert wieder in dem Ding herum«, sagte Merdigen, der Alton über die Schulter sah.
»Ich will nichts übersehen.«
»Zumindest könnt Ihr Theanduris’ aufgeblasene
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