Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
Vom Netzwerk:
Mädchen zu finden, das sich keine drei Pennys um dich schert?«
    » Ich muss gehen, Maggie.«
    Der Sturm brach los. » Weshalb?«, schrie sie. » Um getötet zu werden? Damit dir deine Seele genommen wird? Weshalb?«
    » Das ist eine Sage. Niemand kann die Seelen der Toten nehmen.«
    » Das weißt du gar nicht!«
    » Doch«, erwiderte ich langsam. » Ich weiß es.«
    » Es ist nicht …«
    » Maggie«, sagte ich und nahm ihre beiden Hände in meine. » Ich werde gehen. Wenn du nicht mit mir gehen willst, dann bleib in den Unbeanspruchten Landen. Geh zurück zu jenem Bauernhof drei Tagesmärsche von hier, sie werden dich aufnehmen, wenn du hart arbeitest. Hier, nimm das.« Ich fischte meine beiden verbleibenden Silbermünzen heraus und hielt sie ihr hin.
    Sie warf die Münzen ins Stroh. » Behalt dein dreckiges Geld! Aber du kannst nicht ins Seelenrankenmoor gehen!«
    » Ich kann. Ich werde.«
    » Ich werde dich aber nicht …«
    Ich verlor alle Geduld. » Niemand hat dich gebeten, irgendwohin zu gehen! Geh zurück zu diesem letzten Hof! Geh zurück ins Königinnenreich! Es ist mir gleich!«
    Sie legte den Kopf in die Hände und weinte.
    Es war ein Sturm der Tränen, wie ich ihn bei ihr nie vermutet hätte, eine Flut, nicht mit den stillen Tränen vergleichbar, die ich sie um ihren erschlagenen Bruder hatte vergießen sehen. Sie wimmerte und schluchzte – die vernünftige, scharfzüngige Maggie! Ich legte nicht meine Arme um sie. Ich saß da, trotzig, bis der Sturm vorüber war und sie still wurde, und dann legte ich ihr abermals die beiden Silberstücke aufs Knie und verließ den Ziegenstall. Ich schlug den Weg nach Osten ein, zur Grenze, zum Seelenrankenmoor und zu Cecilia.

25
    Nach einem Tagesmarsch wurde das Land flacher. Es fiel nicht ab, aber die Schluchten und Kuhlen und Berge gingen in eine weite Hochebene über. Die Grenze war nicht markiert, aber ich wusste, dass ich sie überquert hatte. Dies war ein Moor – das Seelenrankenmoor.
    Obwohl es beinahe baumlos war, besaß das Moor trotzdem eine eigene Schönheit. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte – brache und zerstörte Erde vielleicht –, aber der Boden war wie ein Schwamm, zwischen niedrigen violetten Blumen mit Moos bedeckt. Hin und wieder ragten riesige Felsformationen aus dem federnden Torfboden. Auf diesen Felsen wuchs grünes Moos, das mich an den Felsbrocken im Dorf Stonegreen erinnerte. Aber hier gab es keine Dörfer, kein Vieh, das auf saftigen Wiesen weidete, kein Geflügel, keine Erntefeste und auch keine hübschen, verlorenen Mädchen wie Cat Starling.
    Etwas zog meinen Blick auf sich: ein Stück Stoff, das an einem Ginsterstrauch hängen geblieben war. Ich schnappte es mir. Bestickte grüne Seide. Sie war hier gewesen! Ich fing an zu laufen.
    Ein Umriss wurde in weiter Ferne größer. Anfangs dachte ich, es sei eine Täuschung durch das klare, unmittelbar einfallende Licht. Aber als ich näher kam, sah ich, dass es ein flacher Hügel in weiter Ferne war, und dass Rauch davon aufstieg. Vielleicht war es eine Stadt. Vielleicht war es Hyrgyll.
    Aber die Dämmerung brach an, und der Rauch war noch weit entfernt. Ein kühler Wind kam langsam auf. Das Laufen hatte mich erschöpft, und ich konnte ohne Rast nicht mehr weitergehen. Im Schutz einer der Felsformationen schichtete ich ein kleines Feuer auf, um wilde Tiere fernzuhalten. Der Torf brannte mit einem eigenen, seltsamen Rauch, scharf und erdig. Es gab keinen Mond, und eine Million Sterne glühten an einem schwarzen Himmel. Ich hatte nichts zu essen, aber es war noch ein wenig Wasser in meinem Wasserschlauch. Ich trank es, wickelte mich in meinen fellbesetzten Umhang und schlief ein. Ich träumte von meiner Mutter.
    Sie saß in ihrem violetten Kleid da und hatte ein Kind auf dem Schoß. Ich war sowohl der Zuschauer als auch das Kind, sicher und warm in den Armen meiner Mutter. Sie sang mir leise etwas vor, ein Lied, in dem ich zuerst keine Worte verstand. Dann wurden die Worte deutlicher, und Roger dem Zuschauer gefror das Blut in den Adern: » Stirb, mein Kind, stirb, stirb, mein Kleines, stirb, stirb …« Aber Roger das Kind lauschte dem ungeheuren Lied und schmiegte sich enger an sie, ein Lächeln auf dem kleinen Gesicht und die schöne Melodie in den Ohren. » Stirb, mein Kind, stirb, stirb, mein Kleines, stirb, stirb …«
    Hände rissen mich von ihr fort. Aber es waren wirkliche Hände, die weder aus dem Land der Träume noch aus dem der Toten stammten, und sie zogen mich von

Weitere Kostenlose Bücher