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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Männer der Königin!«, sagte ich und warf beide Beine wie ein ausgelassenes Fohlen in die Luft.
    Einer der Wächter lächelte. » Es ist Abend, Narr.«
    Ich blickte überrascht drein. » Seid Ihr sicher? Nein, es ist acht Uhr morgens! Ich habe einen Hahn krähen hören!«
    » Dann sind deine Ohren voller Kerzenwachs.«
    » Umso besser können Geräusche hineinschlüpfen!«
    Er lachte und gab mir einen gespielten Tritt, wobei sein Stiefel kaum mein Hinterteil berührte. Der andere Wächter sah ungehalten zu. » Weg von mir, Narr. Ich mag Einfaltspinsel nicht besonders.«
    » Ach, aber ich bin doch ein Zweifaltspinsel, also müsst Ihr mich mögen! Soll ich Euch Frühstück aus der Küche mitbringen?«
    » Ich meine es ernst, fort mit dir!«
    Ich sprang mit vorgetäuschter Furcht aus der Reichweite seiner Stiefel, gab eine Darstellung großen Hungers zum Besten und flitzte davon.
    Sofort verirrte ich mich in dem komplexen Labyrinth des Palastes. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, auf welchem Weg Kit Beale mich hergeführt hatte, und ich hatte die Kammern der Königin seit Wochen nicht verlassen. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass auch sie das nicht getan hatte. Ging sie niemals vor ihren Palast, hinaus in die Stadt oder aufs Land? Hatte ihre Mutter das so veranlasst?
    Indem ich mich bei den Dienern durchfragte, fand ich den Weg zu den Küchen. Nun wusste ich, wo ich mich befand; die Wäscherei war in diesem Teil des Palastes, genauso meine alte Lehrlingskammer. Das Abendessen war lange vorbei, und nur ein paar Küchenmägde waren noch da, um Töpfe zu schrubben oder etwas für den nächsten Tag vorzubereiten. Unter ihnen war Maggie, die Brotlaibe formte, damit sie über Nacht fürs Frühstück aufgehen konnten.
    » Roger!«
    » Hallo, Maggie.«
    » Du bist wirklich der Hofnarr der Königin geworden! Davon habe ich gehört.« Ihr Tonfall war nicht gänzlich angetan. Die anderen Mädchen starrten uns an, und Maggie fuhr sie an: » Geht zurück an die Arbeit!« Das taten sie. Maggie hatte hier die Verantwortung, so wie sie einst für mich die Verantwortung übernommen hatte – mir zu essen gegeben, sich mit mir angefreundet, mit mir gelacht hatte. Es tat gut, sie zu sehen, trotz ihres missbilligenden Blicks auf mein gelbes Gesicht und meine seltsame Kleidung.
    Sie schob sich eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht. In der Küche war es sehr warm. » Was führt dich her, Roger?«
    Ich hielt meine Stimme gesenkt. » Ich muss durch die Tür gehen, an der die Lastkähne die Lebensmittel von den Bauernhöfen für die Küche abliefern.«
    » Weshalb?«
    » Ich muss es einfach.«
    » Ist es eine Angelegenheit der Königin?« Auch ihre Stimme war leise, aber sie verzog das Gesicht nicht und ihre starken Arme kneteten weiterhin die Brote.
    » Ja, aber ich kann nicht verraten, worum es geht. Und auch du darfst es nicht.«
    Sie hielt kurz mit dem Kneten inne, fuhr aber gleich fort. » Oh, Roger, worin hast du dich da nur verstrickt?«
    Ich antwortete nicht. Sollte sie ruhig denken, mein Auftrag sei irgendeine wichtige Angelegenheit im Dienste der Königin. Maggie würde mir um so lieber helfen. Cecilias trauriges Gesicht erfüllte meine Gedanken.
    Sie sagte: » Es hat nichts mit der Marine zu tun, oder? Bitte sag, dass du nicht mit diesem Schlamassel in Verbindung stehst!«
    Welcher Schlamassel? Was war mit der Marine? Wie konnte eine Küchenmagd mehr als ich über Staatsangelegenheiten wissen? Aber ich kannte die Antwort darauf schon. Königin Eleanor hielt alles, was das Militär betraf, von der Seite des Palastes fern, in der ihre Tochter herrschte. Und die Lords und Ladys schwatzten nicht über gewichtige Dinge, damit man sie nicht zufällig belauschte und ihre Worte falsch auslegte. Sie konnten niemandem vertrauen. Niedere Bedienstete allerdings konnten über alles schwatzen, solange sie nur flüsterten, denn niemanden von den Mächtigen kümmerte es, was sie sagten oder dachten. Die Palastdiener – alle außer mir – wussten häufig über alles Bescheid.
    Ich sagte: » Es geht nicht um die Marine. Aber ich muss bald los, und ich muss mich zuerst umziehen und ungesehen hinausgelangen.«
    Sie seufzte. » Warte noch ein bisschen. Setz dich hin und iss, als ob nur der Hunger dich hergetrieben hätte.« Sie ging zum Ofen und füllte mir eine Schale mit Suppe, die vom Abendmahl der Diener übrig geblieben war. Sie war kalt geworden, und ich war schon satt, aber ich aß sie und tat dabei so, als

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