Pfad der Seelen
ein Stück Gold hineingleiten. Was half mir ein Goldstück, um einen Anfall zu bekommen? Auf einmal war ich zornig, wütend wegen der Art, in der ich benutzt wurde. Ich war ein Werkzeug, nicht mehr als ihr Löffel oder ihr Kelch. Ein Werkzeug – genauso wie sie für den Wilden ein Werkzeug war, der ihr Bett teilte und ihr Königinnenreich an sich bringen wollte.
Ich hatte keine Wahl, außer zu tun, was man mir aufgetragen hatte.
Ich schrie und sprang auf die Steinbrüstung. Die grünen Wachen rannten mit gezogenen Schwertern vor und zerrten die Königin von mir fort. Ich warf die Goldmünze in die Luft, schrie: » Mit meinem Geld kauf ich Himmel und Welt!«, und sprang wieder von der Brüstung, um mich auf dem Steinboden zu winden. Mit der Hand tastete ich in meiner Tasche herum, um meine kleine Rasierklinge aus ihrer Scheide zu holen, und ich schnitt mich fest in den Handteller. Blut lief mir über die Finger, und ich betrat den Pfad der Seelen.
Ich wusste nicht, wo ich mich befand.
Ich stand zwischen riesigen Felsbrocken, Steinzacken, wie ich sie noch nie irgendwo in der Nähe von Gloria erblickt hatte. Zwischen den Felsen wuchs dichtes Gebüsch, blattlose und unförmige Pflanzen, aus deren krummen Stämmen krumme Äste hervorkamen. Ich stolperte in einen hinein. Seine scharfen Dornen stachen mich in die bereits blutige Hand. Unter meinen Füßen bebte der Boden, und am düsteren Himmel jagten Wolken dahin. Mir drehte sich der Magen um. Ich hatte diese Verheerung ausgelöst.
Von meiner Linken drang Lärm heran. Ich gab acht darauf, den Dornbüschen auszuweichen, und suchte mir einen Weg zwischen den Steinen, bis ich auf der Ebene neben dem Fluss herauskam. Aber diese Ebene war genauso verändert und verformt wie die Büsche. Überall lagen Felsen verstreut, manche klein genug, um sie aus dem Weg zu treten, manche so groß wie ich. Der Boden unter meinen Füßen rumpelte. Inmitten dieses Chaos saßen oder lagen die Toten in ihrer üblichen Vergessenheit – aber nicht alle.
Der Lärm kam aus zwei Quellen. Der Fluss floss inzwischen schneller, brach sich und wirbelte gegen neue Felsen und ließ laut gurgelnd Schaum aufwallen. Aber der meiste Lärm stammte von jenseits des Flusses: blaue Soldaten, Hunderte von ihnen, die in der letzten Schlacht gegen die wilden Krieger gestorben waren. Die Blauen wurden von ihren Hauptleuten ausgebildet. Sie marschierten, riefen Befehle, zogen Schwerter, stampften mit den Stiefeln. Keiner von ihnen handelte auch nur ansatzweise, als wäre er tot. Einer von ihnen erspähte mich jenseits des Wassers. Er legte die Hand wie einen Trichter um den Mund, um über den Fluss zu rufen:
» Behexter Narr! Was gibt es Neues, Junge?«
Ich hätte nicht einmal antworten können, wenn es um mein Leben gegangen wäre. Während ich dastand, so töricht wie einer der unerklärlichen Felsbrocken, brüllte er noch lauter: » Was gibt es Neues?«
Als ich noch immer nicht antwortete, gingen der Soldat und der Mann neben ihm auf den Fluss hinaus und kamen über die Wasseroberfläche auf die andere Seite.
Mir wurde schwindlig; alles drehte sich um mich und fiel auf mich herab. Als ich wieder etwas sehen konnte, hatte mich einer von ihnen am Arm gepackt.
» Er kommt wieder zu sich, Lucius«, sagte sein Freund. » Junge, ist alles in Ordnung?«
» Natürlich ist nicht alles in Ordnung, er ist verhext, du Tor!«
» Nicht schlimmer als wir, die wir hier im Hexenland festsitzen … Narr? Alles in Ordnung?«
» J…ja.« Ihre Stiefel waren nicht einmal nass.
Lucius sagte: » Was also gibt es Neues? Hält die Hurenkönigin immer noch den Palast?«
» J…ja.« Ich kämpfte um meine Beherrschung. » Aber Lord Solek …«
Lucius stieß eine Reihe von wilden Flüchen aus. Seit Hartah hatte ich niemanden mehr so reden hören. » Der Wilde hält den Palast für sie?«
» Ja.« Die Wahrheit war zu schwer zu erklären, selbst wenn ich es gewollt hätte.
Lucius schüttelte mich nicht eben sanft am Arm. » Was nun? Wie entkommen wir aus dem Hexenland? Hast du uns nichts Gutes zu berichten?«
» Lass ab, Lucius«, sagte sein Freund. » Schüttle den Narren doch nicht so durch. Er steht auf unserer Seite. Er hat versucht, das Amulett der jungen Hexe für uns zu holen, erinnerst du dich?«
Cat Starling. Was war mit ihr geschehen, nachdem ich gegangen war? Ich sagte: » Habt ihr ihr das Amulett abgenommen, seit ich zum letzten Mal hierhergehext worden bin?«
» Niemand hat sie seitdem auch nur gesehen. Wird
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