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Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)

Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Houck
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sprechen.«
    Ich schien recht zu behalten, denn im selben Moment, als ich den Kopf zur Seite neigte, flatterte der andere Vogel herbei und hockte sich auf meine Schulter. Er schob den Schnabel an mein Ohr, und ich wartete, dass er mit mir re dete. Doch stattdessen verspürte ich ein sonderbares Ziehen. Der Rabe zerrte sanft an etwas in meinem Ohr, was jedoch nicht wehtat.
    »Was soll das?«, fragte ich.
    »Gedank’nsteck’nf’st.«
    »Was?«
    »Gedank’nsteck’nf’st.«
    Ich spürte erneut ein zartes Ziehen, und dann hüpfte Hugin mit einem hauchdünnen, spinnennetzartigen Faden im Schnabel davon.
    Erschrocken schlug ich die Hand aufs Ohr. »Was hast du getan? Hast du etwas aus meinem Gehirn gestohlen? Habe ich jetzt einen Hirnschaden?«
    »Gedank’nsteck’nf’st.«
    »Was soll das bedeuten?«
    Der Faden, den der Rabe im Schnabel hielt, löste sich auf, als der Vogel zu schnattern begann. Ich saß mit weit aufgerissenem Mund da, starrte entsetzt in seine Richtung und fragte mich, was er mir angetan hatte. Hat er etwa mein Gedächtnis gestohlen? Ich zermarterte mir den Kopf und versuchte, mich an alles Wichtige in meinem Leben zu erinnern. Ich suchte nach einer Lücke, einem blinden Fleck. Wenn mir der Vogel Erinnerungen geklaut hatte, wusste ich nicht, welche.
    Kishan berührte meine Hand. »Ist bei dir alles in Ordnung? Wie geht es dir?«
    »Mir geht’s gut. Es ist nur …« Ich verstummte, als sich etwas in meinem Bewusstsein regte. Etwas geschah. Etwas schabte wie ein quietschender Gummiwischer über die Oberfläche meines Bewusstseins. Ich spürte, wie sich eine Schicht Verwirrung oder klebriger Dreck, ein geistiges Durcheinander, oder wie auch immer man es nennen mochte, von mir ablöste wie abgestorbene Haut nach einem Sonnenbrand. Es war, als hätten vorher Ängste, Sorgen und düstere Gedanken die Poren meines Bewusstseins verstopft.
    Für einen Moment sah ich alles, was ich zu tun hatte, glasklar und ohne jeden Schleier. Ich wusste, wir waren kurz vor unserem Ziel. Ich wusste, erbarmungslose Wächter beschützten das Göttliche Tuch. Ich wusste, was es mit dem Tuch auf sich hatte und was ich damit würde tun können. Ich wusste, wie ich Ren mit seiner Hilfe befreien könnte.
    Munin hüpfte vor Kishan auf und ab, wartete begierig, dass er an der Reihe war.
    »Es ist in Ordnung, Kishan! Sei unbesorgt. Lass ihn auf deiner Schulter sitzen. Er wird dir nicht wehtun. Vertrau mir.«
    Kishan sah mich skeptisch an, doch dann legte er den Kopf schief. Fasziniert beobachtete ich, wie Munin mit den Flügeln schlug und auf Kishans Schulter landete. Er ließ die Flügel ausgebreitet und schüttelte sie träge aus, während er sich um Kishans Ohr kümmerte.
    Ich wandte mich an Hugin: »Wird Munin dasselbe mit Kishan tun wie mit mir?«
    Der Vogel schüttelte den Kopf und trat von einem Bein aufs andere. Dann begann er, sich das Gefieder zu putzen.
    »Und was wird anders sein? Was hat er vor?«
    »Musstwarten.«
    »Musstwarten?«
    Der Vogel nickte.
    Munin hüpfte auf den Boden und hielt einen hauchzarten schwarzen Faden von der Größe eines Regenwurms im Schnabel. Er öffnete das Maul und schluckte ihn hinunter.
    »Äh … Der sah anders aus als meiner. Kishan? Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?«
    Er antwortete rasch. »Mir geht’s gut. Er … hat es mir gezeigt.«
    »Was hat er dir gezeigt?«
    »Er hat mir meine Erinnerungen gezeigt. Jede Einzelheit. Ich habe alles gesehen, was geschehen ist. Ich habe Yesubai und mich gesehen. Meine Eltern, Kadam, Ren … Einfach alles. Aber mit einem entscheidenden Unterschied.«
    Ich nahm seine Hand. »Und? Was war der Unterschied?«
    »Der schwarze Faden, den du gesehen hast – es lässt sich schwer in Worte fassen, aber es war, als hätte mir der Vogel eine dunkle Sonnenbrille von den Augen genommen. Ich habe alles gesehen, wie es wirklich war, wie es wirklich passiert ist. Es war nicht mehr bloß meine Sicht. Es war, als hätte ich alles als Außenstehender beobachtet.«
    »Ist deine Erinnerung jetzt anders?«
    »Nicht anders …, nur klarer. Ich weiß jetzt, dass Yesubai ein süßes Mädchen war, das mich gern hatte, aber sie wurde auch ermuntert, mich auszuwählen. Sie hat mich nicht auf dieselbe Art geliebt, wie ich sie geliebt habe. Sie hatte schreckliche Angst vor ihrem Vater. Sie hat ihm willenlos gehorcht, auch wenn sie sich sehnlichst gewünscht hat, sich aus seinem Bann zu befreien. Am Ende war es ihr Vater, der sie getötet hat. Er hat sie heftig

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