Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
Boden aus. Dann bat ich Kishan, sich mir gegenüber zu setzen, bevor ich das Tuch aufhob.
»Das Tuch kann sehr viel. Es kann zu allem werden, was aus Stoff oder Naturfasern gefertigt ist. Das, was es hervorbringt, muss nicht zwangsläufig wieder verschwinden. Das ist möglich, aber das Erschaffene kann auch zurückbleiben, verliert dann jedoch die magischen Eigenschaften des Tuchs. Das Tuch kann benutzt werden, um den Wind einzufangen, wie in der Geschichte des japanischen Gotts Fu ˉ jin mit seinem Sack. Und außerdem kann man es dazu verwenden, um … sein Äußeres zu verändern.«
»Sein Äußeres zu verändern? Was soll das heißen?«
»Die Göttliche Weberin hat doch gesagt, dass dem Weben Magie innewohnt. Es erschafft nicht nur die Kleidung dieser Person, sondern kann dich auch wie er oder sie aussehen lassen. Der Schlüssel liegt darin, dass man sich im Kopf ein ganz genaues Bild von demjenigen machen muss, in den man sich verwandeln möchte. Ich werde es ausprobieren. Schau zu und sag, ob es funktioniert.« Ich flüsterte: »Verwandlung, bitte – Nilima.«
Das Tuch wuchs zu einem langen Streifen funkelnden schwarzen Stoffes, über den Farbkleckse in allen erdenklichen Tönen wirbelten. Es glitzerte, als wäre es mit Pailletten und Juwelen besetzt, die kurz aufblitzten und dann wieder verschwanden. Lichtreflexe glitten über das Zelt, als würde ein Feuerwerk in den Nachthimmel geschossen.
Ich warf mir den Stoff über und bedeckte jeden Zentimeter meines Körpers damit. Meine Haut wurde warm und kitzelte. Die wirbelnden Farben schillerten und erhellten den kleinen dunklen Ort, an dem ich saß. Es war, als würde ich meiner ganz persönlichen Lasershow zusehen. Als das Glühen verblasste, zog ich den Stoff über den Kopf und blickte Kishan an.
»Und?«
Seine Kinnlade fiel vor Schreck herunter. »Kells?«
»Ja.«
»Du … klingst sogar wie Nilima. Du bist genau wie sie gekleidet.«
Ich blickte an mir herab und stellte fest, dass ich ein knielanges taubenblaues Seidenkleid trug. Meine Beine waren nackt. »Das habe ich auch gerade gemerkt. Ich friere!«
Kishan warf mir seine Jacke um die Schultern und nahm dann meine Hand, um sie zu begutachten. »Deine Haut fühlt sich an wie ihre. Du hast sogar ihre langen, lackierten Nägel. Unglaublich!«
Ich zitterte. »Okay, Vorführung beendet. Ich friere entsetzlich.« Ich warf mir den Stoff über den Kopf und sagte: »Mein altes Ich.« Die Farben begannen zu wirbeln, und nach einer langen Minute schob ich das Tuch fort und sah wieder aus wie ich selbst. »Jetzt bist du dran, Kishan. Wir haben keinen Spiegel. Ich würde gerne sehen, ob das Ergebnis wirklich überzeugend ist.«
»Okay.« Er nahm das Göttliche Tuch und sagte: »Verwandlung – Mr. Kadam.«
Er bedeckte seinen ganzen Körper mit dem Stoff. Als er das Tuch eine Minute später wegzog, war ich überzeugt, dass mir Mr. Kadam gegenübersaß. Er sah genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Zögerlich streckte ich einen Finger aus und berührte seinen Bart.
»Wow! Du siehst ihm zum Verwechseln ähnlich!« Ich befühlte den Saum seiner Hose. »Selbst die Kleidung fühlt sich real an. Du bist der perfekte Doppelgänger!«
Er berührte sein Gesicht und rieb sich mit der Hand über das kurz geschorene Haar.
»Einen Augenblick!«, sagte ich. »Du trägst sogar sein Amulett! Fühlt es sich an wie das Original?«
Er strich über das Amulett und die Kette. »Es sieht real aus, ist es aber nicht.«
»Was meinst du?«
»Ich habe fast mein ganzes Leben ein Amulett getragen, und als ich dir meines gegeben habe, konnte ich sein Fehlen spüren. Dieses hier fühlt sich nicht real an. In ihm steckt keine Macht. Außerdem ist es leichter, und die Oberfläche sieht irgendwie anders aus.«
»Hm, das ist interessant. Ich persönlich kann die Macht in meinem noch nicht spüren.«
Ich beugte mich vor und berührte das Amulett um seinen Hals und verglich es dann mit meinem. »Ich denke, dein Amulett ist aus irgendeiner Art Stoff gemacht.«
»Wirklich?« Er rieb es zwischen den Fingern. »Du hast recht. Die Oberfläche ist rau. Und du kannst die Macht deines Amuletts wirklich nicht spüren?«
»Nein.«
»Nun, wenn du es so viele Jahre wie ich getragen hättest, könntest du es.«
»Vielleicht könnt nur ihr Tiger es spüren, weil ihr so eng damit verbunden seid.«
»Vielleicht. Wir sollten Mr. Kadam fragen.« Kishan verwandelte sich wieder zurück. »Und wie genau sieht dein Plan aus, Kells?«
»Ich habe
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