Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
zwar noch nicht alle Details bis ins Kleinste durchdacht, aber ich hatte mir überlegt, dass wir uns in Lokeshs Wachen verwandeln könnten und uns in sein Versteck schleichen.«
»Du willst also nicht verhandeln? Ein Amulett gegen Ren?«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Den Schachzug möchte ich mir als letzten Ausweg offenhalten. Der Haken an der Sache ist, dass ich nicht weiß, wohin sie Ren verschleppt haben. Ich habe dir erzählt, dass ich Ren in der Vision gesehen habe, aber ich habe auch eine andere Person gesehen, von der ich hoffe, dass Mr. Kadam sie für mich identifizieren kann.«
»Und wie soll ihm das gelingen?«
»Seine Haare und Tattoos waren ungewöhnlich. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen.«
»Das ist ein Schuss ins Blaue, Kells. Selbst wenn Mr. Kadam herausfindet, woher der Diener stammt, bedeutet das nicht automatisch, dass Lokesh Ren dort gefangen hält.«
»Ich weiß, aber es ist unser einziger Anhaltspunkt.«
»Okay, wir wissen also, wie wir es machen. Jetzt fehlt uns nur noch das Wo .«
»Ganz genau.«
Am nächsten Tag erreichten wir endlich die Schneegrenze und kamen nun schneller voran. Kishan hatte als Tiger geschlafen und wanderte den Großteil des Tages als Mensch neben mir her, was uns die Möglichkeit gab, uns zu unterhalten. Er meinte, dass ihm seine Tigergestalt nun wie eine Zwangsjacke vorkam. Wie Ren sehnte er sich jetzt, da er einen Vorgeschmack auf sein Menschsein bekommen hatte, verzweifelt nach mehr.
Ich ermahnte ihn, dass zwölf Stunden viel besser als sechs seien. Er konnte nachts als Tiger schlafen und den Tag in Menschengestalt verbringen, aber er beklagte sich weiterhin.
Als uns einmal kurz der Gesprächsstoff ausging, sagte ich: »Könntest du mir erzählen, was du über Lokesh weißt? Wo hast du ihn kennengelernt? Wie ist er? Erzähl mir von seiner Familie, seiner Frau, seiner Vergangenheit. Einfach alles.«
»Okay. Eines vorneweg, er entstammt keinem Adelsgeschlecht.«
»Was meinst du damit? Ich dachte, er war König.«
»War er auch, aber nicht von Geburt an. Bei unserem ersten Treffen war er königlicher Berater. In kürzester Zeit erlangte er viel Macht. Dann starb der König unerwartet und ohne Nachkommen, und Lokesh bestieg den Thron.«
»Huch, das klingt nach einer spannenden Geschichte. Sein Aufstieg zur Macht würde mich brennend interessieren. Haben ihn alle als neuen König anerkannt? Oder gab es Proteste?«
»Falls es welche gab, so hat er sich jeden politischen Gegners rasch entledigt und im selben Atemzug eine schlagkräftige Armee aufgebaut. Sein Königreich war in der Vergangenheit sehr friedliebend, und wir hatten nie Probleme mit ihnen. Selbst nach der Thronübernahme begegnete Lokesh meiner Familie mit Freundlichkeit. Doch bald brachen immer wieder kleinere Scharmützel zwischen unseren Armeen aus, von denen er stets behauptete, nichts gewusst zu haben. Aus heutiger Sicht vermuten wir, dass er durch diese kleinen Gefechte militärische Informationen sammeln wollte, denn sie ereigneten sich immer in der Nähe wichtiger militärischer Standorte. Er tat sie als unbedeutende Missverständnisse ab und versicherte uns, dass die Überlebenden eine gerechte Strafe erhielten.«
»Überlebende? Was meinst du?«
»Die Scharmützel endeten zumeist mit dem Tod seiner Soldaten. Er benutzte sie wie Wegwerfartikel. Er verlangte unbedingte Ergebenheit – bis in den Tod.«
»Und niemand in deiner Familie hat je Verdacht geschöpft?«
»Wenn überhaupt, dann Mr. Kadam. Ansonsten hegte niemand einen Verdacht gegen Lokesh. Bei seinen Besuchen war er sehr charmant. In der Gegenwart meines Vaters gab er sich stets demütig und friedliebend, während er die ganze Zeit über kaltblütig unseren Sturz geplant hat.«
»Welche Schwächen hat Lokesh?«
»Er kennt meine Schwächen besser als ich seine. Ich vermute, er hat Yesubai schamlos ausgenutzt. Ihm zufolge ist seine Frau verstorben, lange bevor wir ihn kennengelernt haben. Yesubai hat nie von ihrer Mutter gesprochen, und ich wollte das schmerzhafte Thema nicht ansprechen. Soweit ich weiß, hatte er außer ihr keine Familie, keine weiteren Nachkommen. Er ist machtbesessen. Das könnte seine Schwachstelle sein.«
»Geht es ihm um Geld? Könnten wir Ren freikaufen?«
»Nein. Er benutzt Geld nur als Mittel zum Zweck, um mehr Macht zu erlangen. Juwelen und Gold interessieren ihn nicht. Er mag etwas anderes behaupten, aber das nehme ich ihm nicht ab. Er ist ein ehrgeiziger Mensch,
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