Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
anfangen? Da gibt’s ein Kino, das freitags um Mitternacht alte Filme zeigt? Wie wär’s?«
»Okay, aber nur, wenn du mir versprichst, mir dann eine der coolen Techniken aus dem Film zu zeigen«, fügte ich hinzu, erleichtert, die Sache geregelt zu haben. Zumindest fürs Erste, dachte ich, als wir uns trennten.
Li und ich sahen uns nun regelmäßig außerhalb der Spieleabende und dem Studio. Er war ein Gentleman der alten Schule, und unsere Dates waren immer lustig und interessant.
Trotz all der Aufmerksamkeit, die mir entgegengebracht wurde, fühlte ich mich einsam. Es war nicht die Art von Einsamkeit, über die man sich mit anderen Menschen hin wegtrösten kann. Meine Seele fühlte sich einsam. Die Nächte waren am schlimmsten, weil ich ihn dann spürte, selbst über Ozeane hinweg. Ein unsichtbares Seil umschloss mein Herz, versuchte unablässig, mich zu ihm zurückzuziehen. Vielleicht, mit etwas Glück, wäre es eines Tages durchgewetzt und würde schließlich reißen.
Die Wushu -Stunden waren das perfekte Ventil für die Wut, die ich aufs Leben hatte. Ich wurde allmählich richtig gut. Meine Arme und Beine bauten Muskeln auf, und ich fühlte mich stärker. Wenn mich jetzt jemand angreifen würde, wäre ich vielleicht sogar in der Lage, ihn abzuwehren – ein berauschender Gedanke. Wer brauchte da noch einen Tiger? Ich würde meine Feinde einfach mit einem Tritt ins Gesicht das Fürchten lehren.
Als Kampfsportschüler durfte man solche Gedanken eigentlich nicht haben, aber die meisten anderen Menschen mussten sich im Gegensatz zu mir auch nicht mit unsterblichen Kappa-Affen herumschlagen, die einen bei lebendigem Leib auffressen wollten. Deshalb stellte ich mir meine unzähligen möglichen Gegner im Kopfkino vor und trat mit aller Kraft zu. Selbst Li machte eine Bemerkung darüber, dass meine Tritte besser wurden.
Li hielt sein Versprechen und zeigte mir eine Angriffsbewegung aus dem Film. Ich vermasselte es, und wir fielen lachend auf die Matte.
»Kelsey, bei dir alles in Ordnung? Habe ich dir wehgetan?«
Ich konnte nicht aufhören zu lachen. »Nein, mir geht’s gut. Tolle Technik, nicht wahr?«
Li lehnte über mir, das Gesicht nah an meinem. »Nicht schlecht. Zumindest habe ich dich jetzt genau dort, wo ich dich will.« Er beugte sich noch ein wenig weiter zu mir herab, beobachtete meine Reaktion. Ich erstarrte. Eine Woge der Traurigkeit spülte über mich hinweg. Ich drehte leicht den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Ich konnte ihn nicht küssen. Die Vorstellung war zwar nett, hätte bei mir aber keine Gänsehaut verursacht. Es wäre einfach nicht richtig gewesen.
»Es tut mir leid, Li.«
Er stupste mich sanft ans Kinn. »Mach dir keinen Kopf. Lass uns lieber einen Milchshake holen. Was meinst du?« In seinen Augen lag Enttäuschung, aber er schien fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen.
Mitten in meinem Dating-Tief meldete sich Mr. Kadam mit erfreulichen Neuigkeiten. Er hatte eine bedeutungsvolle Pas sage in Durgas Prophezeiung entschlüsselt und bat mich, ihm bei der Recherche zu helfen, was ich liebend gerne tat. Ich zog einen Notizblock hervor und fragte: »Was haben Sie für mich?«
»Die Prüfungen der Vier Häuser. Genau genommen sind es das Haus des Kürbis, das Haus der Versuchung und das Haus der geflügelten Geschöpfe.«
»Was für geflügelte Geschöpfe?«, fragte ich und musste schlucken.
»Das vermag ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu sagen.«
»Was ist mit dem vierten Haus?«
»Allem Anschein nach gibt es zwei Häuser mit geflügelten Tieren. Bei dem einen handelt es sich wohl um eine Art Vogel, auch wenn später in der Prophezeiung von Metall und Eisen die Rede ist. Das andere Tier ist mit dem Symbol für ›groß‹ versehen, und dasselbe Symbol taucht auch später wieder in der Prophezeiung auf. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie alle Mythen recherchieren könnten, bei denen es darum geht, Häuser zu durchschreiten oder eine Prüfung in Häusern abzulegen.«
»Gern. Ich melde mich bei Ihnen.«
»Sehr schön.«
Die restliche Unterhaltung über ging es um banale Dinge, und obwohl ich froh war, dass er mich in die Suche einbezog, drehte sich mir bei dem Gedanken, irgendwann wieder nach Indien reisen zu müssen, der Magen um. Auf Gefahren, Magie und das Übernatürliche war ich vorbereitet, aber eine Rückkehr würde ebenfalls bedeuten, ihm wieder unter die Augen zu treten. Ich war gut darin, den Schein eines normalen Lebens zu wahren, aber unter
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