Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
hing.
Rote Papierschirmchen, goldene chinesische Fächer und kunstvolle Origami-Werke schmückten den Speisesaal, was – wie mir Li erklärte – bei chinesischen Hochzeiten Tradition war. Die Braut trug ein rotes Kleid, und anstatt aufwendig verpackter Geschenke übergaben die Gäste dem Paar rote Umschläge mit Geld.
Li zeigte auf eine Gruppe junger Männer, die alle schwarze Anzüge und Sonnenbrillen trugen. Überrascht riss ich die Augen auf und musste ein Kichern unterdrücken, als ich in ihnen die Mitglieder unseres Spieleabends erkannte. Sie grinsten und winkten mir zu. Einem von ihnen war mit Hand schellen eine prall gefüllte Brieftasche ans Handgelenk gekettet worden.
»Warum sind sie so angezogen?«, fragte ich. »Und was hat es mit dem Geldbeutel auf sich?«
Er lachte. »Eintausend Dollar in druckfrischen Ein-Dollar-Scheinen. Später werden sie dem Bräutigam die Handschellen anlegen. Es ist ein Witz. Mein Cousin war früher auch in unserer Spielegruppe, bis er in seinem Job zu viel zu tun hatte. Er ist der Erste von uns, der heiratet, weshalb er die Brieftasche bekommt.«
Schließlich rückten wir in der endlos langen Empfangsreihe vor, und Li stellte mich seinem Cousin und dessen Angetrauter vor. Sie war zierlich und sehr schön und wirkte etwas schüchtern. Dann suchten wir unsere Plätze an den Esstischen, wo sich schon bald Lis Freunde zu uns gesellten. Sie neckten ihn, weil er seine Sonnenbrille nicht trug.
Im Kerzenschein vollzogen die Braut und der Bräutigam eine Zeremonie, um ihrer Ahnen zu gedenken, und anschließend wurde das Abendessen serviert: Fisch als Symbol für den Wohlstand, einen ganzen Hummer als Symbol für Vollständigkeit, Pekingente für Glück und Freude, Haifischflossensuppe für Reichtum, Nudeln für ein langes Leben und Seegurkensalat für eine harmonische Ehe. Li wollte mich überreden, von den süßen Lotussamenbrötchen zu pro bieren, die Fruchtbarkeit symbolisierten.
»Äh … nein danke«, sagte ich zögerlich, »ich glaube, ich passe.«
Nach guten Wünschen von beiden Seiten der Familie tanzte das Paar den ersten Tanz.
Li drückte meine Hand und stand auf. »Kelsey, darf ich bitten?«
»Sicher.«
Er wirbelte mich einmal um die Tanzfläche, bevor seine Freunde ihn ablösten. Mehr als ein Lied schaffte ich nie mit Li. Eine Handvoll Tänze später wurde eine dreistöckige Torte hereingetragen. Das Innere war orange, außen war sie mit einer nach Mandeln duftenden Glasur überzogen und mit schimmernden Zuckerperlen und wunderschönen Marzipanorchideen verziert.
Als Li mich an diesem Abend zu Hause absetzte, war ich glücklich. Ich hatte es wirklich genossen, ein Teil dieser Welt zu sein. Ich umarmte ihn und gab ihm einen Gutenachtkuss auf die Wange, und er lächelte, als hätte er den Weltmeistertitel in Wushu gewonnen.
Weihnachten verbrachte ich bei meiner Pflegefamilie. An einer heißen Schokolade nippend, sah ich den Kids beim Aufreißen ihrer Geschenke zu. Sarah und Mike hatten mir einen Jogginganzug geschenkt. Sie gaben die Hoffnung nicht auf, mir das wahre Glück des Laufens schmackhaft zu machen. Die Kids hatten Handschuhe und einen Schal für mich besorgt, was ich, wie ich ihnen versicherte, dringend brauchte. Ich hatte geplant, den Morgen bei ihnen zu verbringen und dann den Rest des Tages mit Li, der mich um zwei für ein Nachmittagsdate abholen würde.
Mein Geschenk für ihn, eine Kung-Fu- DVD -Box, lag im Wohnzimmer auf meinem Couchtisch. Ich war fest entschlossen, ihn zu küssen, falls er bis zum Ende des Dates nicht selbst die Initiative ergriff. Ich hatte sogar einen Mistelzweig über meine Tür gehängt. Ein irratonaler Teil von mir sagte, dass ein Kuss mit ihm womöglich der Schlüssel war, um das Band zu zerschneiden, das mich immer noch an den Mann kettete, den ich verlassen hatte. Ich wusste, dass es dazu wahrscheinlich mehr bedurfte, aber es war der erste Schritt.
Die Kids spielten mit ihren neuen Spielsachen, Sarah und Mike saßen beim Weihnachtsbaum, hörten Weihnachtslieder und unterhielten sich leise, als es an der Tür läutete.
»Erwartest du jemanden, Sarah?«, fragte ich und stand auf. »Vielleicht ist es ein Paket von Mr. Kadam. Er meinte, ich könnte mich auf eine Überraschung freuen.«
Ich öffnete die Tür.
Auf der obersten Treppenstufe stand der schönste Mann der Welt. Mein Herz setzte aus und galoppierte dann donnernd in meiner Brust. Kobaltblaue Augen erforschten verunsichert jeden Winkel meines Gesichts. Mit einem
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