Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
gemacht hätte. Doch Ren rannte mit Li im Schlepptau zur Wand, stieß sich ab und überschlug sich in der Luft.
Bei der Landung wirbelte er herum und hatte nun Lis Position eingenommen. Der stöhnte vor Schmerz auf, und Ren lockerte rasch den Griff. Li tauchte ab und versuchte erneut, Ren die Beine wegzuziehen, aber der sprang über ihn hinweg und drückte ihn in die Matte.
Jennifer warf mir einen nervösen Blick zu und nahm aufgeregt meine Hand. Li war außer sich vor Wut. Er wischte sich über den Mund und fauchte: »Lass die Wettquote mal meine Sorge sein.« Hastig rollte er sich weg und trat Ren gleichzeitig mit voller Wucht in die Brust. Der Aufprall brachte beide aus dem Gleichgewicht. »Zumindest habe ich sie nicht einfach kampflos aufgegeben«, spottete Li.
Die Bewegungen der beiden waren nun so schnell, dass ich sie kaum nachvollziehen konnte: Stöße mit dem Handballen, ausgefeilte Abwehrtechniken, seitliche Fußstöße und Dreieckssprünge.
Einmal rannte Ren auf Li zu, machte mehrere kompliziert anmutende Saltos, wirbelte herum und sprang über Li hinweg. Sobald er wieder Boden unter den Füßen hatte, nutzte er seinen Schwung und schubste Li mit dem Gesicht zu Boden. Die gesamte Klasse klatschte und johlte vor unverhohlener Begeisterung.
Ren drückte Li mit der flachen Hand in die Matte, raubte ihm jede Möglichkeit, sich zu rühren, und knurrte leise: »Nein. Aber du wirst das tun. Sie gehört mir .«
Ren ließ Li aufstehen, aber der war nun blindwütig wie ein wilder Stier, rannte wieder und wieder mit aller Kraft und jeder Arm- und Beintechnik, die er kannte, gegen Ren an. Schweiß rann ihm das Gesicht hinab, und er atmete schwer. Er griff Ren noch heftiger und unbarmherziger als zuvor an, und auch Ren schien sein Tempo zu erhöhen. Schließlich gelangen Li ein paar Treffer. Ich schämte mich in Grund und Boden, immerhin kämpften sie um mich . In aller Öffentlichkeit. Und gleichzeitig konnte ich die Augen nicht von ihnen losreißen.
Li war ein würdiger Gegner, durchtrainiert und ein Könner seines Fachs. Dennoch schienen Ren und er in zwei verschiedenen Ligen zu spielen. Man hatte fast das Gefühl, als würde Li im Vergleich zu Ren in Zeitlupe kämpfen.
Ich beobachtete nur noch Ren. Jede seiner Bewegungen war voller Eleganz, ihre Abläufe ergaben eine wunderschöne Choreografie. Seine Gewandtheit und Stärke schlugen mich in seinen Bann. Er war einfach großartig. Ein Krieger, der dem Tiger in ihm in nichts nachstand.
Dennoch war ich schrecklich verärgert, weil er die Frechheit besaß, mich vor allen als sein Eigentum zu bezeichnen. Und insgeheim überglücklich, dass er mich mit einer solchen Leidenschaft wollte.
Nach einem etwa fünfzehn Minuten andauernden Kampf, der keinen klaren Gewinner offenbaren wollte, schickte Li heftig atmend und keuchend die Klasse fort.
Ich wollte mit ihm reden, aber er winkte mich ungeduldig weg und schnappte sich ein Handtuch, das er sich über den Kopf warf.
Die folgende Woche rief mich Li weder an, noch bat er um ein Date. Am Freitag nach Wushu wollte Li mit mir reden und erklärte Ren, dass er mich nach Hause fahren würde. Ren nickte und zog sich schweigend zurück. Seit dem Kampf behandelten sie einander mit einer sonderbaren Zuvorkommenheit.
Li setzte sich und klopfte auf die Matte neben sich. »Kelsey, ich muss dich etwas fragen, und ich will, dass du ehrlich antwortest.«
»Okay.«
»Warum hast du Ren den Laufpass gegeben?«
Ich rutschte nervös hin und her. »Weil … wir nicht zusammenpassen.«
»Was meinst du damit?«
Ich schwieg einen Moment, dann sagte ich: »Es gibt viele Gründe. Der Hauptgrund ist der …, dass er unglaublich toll und wunderschön ist und ich … nicht. Außerdem ist er sehr reich. Und von königlicher Herkunft. Er kommt aus einer anderen Kultur und hat einen ganz anderen Hintergrund, und er ist noch nicht mit besonders vielen Frauen aus gewesen und …«
»Aber Kelsey, wir zwei kommen auch aus unterschiedlichen Kulturen, haben verschiedene Hintergründe, und das hat dich nie gestört. Mag dich seine Familie nicht?«
»Nein. Seine Eltern sind tot. Sein Bruder mag mich«. Ich rieb mir die Hände im Schoß und sagte kleinlaut: »Der wahre Grund ist aber ein anderer. Ich habe die Sorge, dass er eines Tages aufwacht und feststellt, dass ich keine Prinzessin bin. Ich denke, ich wäre eine Enttäuschung. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor er das erkennt und mich wegen einer anderen verlässt.«
Mit ungläubigem
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