Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
nichts von unserem Gespräch sagen.«
»Ich würde sie niemals belügen«, entgegnete Muldoon ernst. »Sollte sie mich jedoch nicht direkt fragen, sehe ich keine Veranlassung, es zu erwähnen. Fürs Erste.«
»Einverstanden. Geben Sie acht auf sie, Muldoon.«
»Das tue ich immer.« Der ältere Mann lächelte und ging.
Nate lachte leise vor sich hin. Geheimnisse. Wo er auch hinschaute, hatte jemand Geheimnisse. Und bei Gabriellas dürfte er erst die Oberfläche angekratzt haben. Aber seine Unterhaltung mit Muldoon erklärte eine Menge. Falls er Gabriella in seinem Leben behalten wollte – und nach der letzten Nacht stand für ihn endgültig und zweifelsfrei fest, dass er es wollte -, brauchte er offenbar jede Hilfe, die er bekommen konnte. Muldoon könnte sich als ein unerwarteter Verbündeter erweisen. Der Mann wollte nur das Beste für Gabriella. Schließlich kannte er sie seit Langem und war gegenwärtig bei ihr in Stellung …
In Stellung?
Gewiss hatte er gemeint, dass ihr Bruder ihn angestellt hatte.
Aber ihr Bruder war tot. Was hatte Muldoon gemeint?
Nate stand auf und wollte ihm nach.
In dem Augenblick ging die Bibliothekstür auf, und seine Mutter kam herein. »Ah, gut, dass du hier bist, Nathanial.«
»Ich wollte gerade gehen.«
»Nein, du gehst nicht.« Sterling erschien hinter seiner Mutter und schloss energisch die Tür von drinnen. Er hatte sein »Earlsgesicht« aufgesetzt, was gemeinhin bedeutete, dass jemand die fest umrissene Struktur seines Haushalts erschüttert hatte.
»Setzt euch bitte. Beide«, sagte Sterling kühl. Er hatte einige Papiere in der Hand und stellte sich hinter seinen Schreibtisch.
Nate beugte sich zu seiner Mutter. »Was haben wir getan?«
»Ich weiß es nicht, mein Lieber. Mein Gewissen ist rein.« Sie überlegte kurz, dann nickte sie. »Ja, vollkommen rein.«
»Genau wie meines«, murmelte Nate. Nicht dass es jemals vollkommen rein wäre, aber ihm fiel nichts ein, was er in jüngster Zeit verbrochen haben könnte, um den Groll seines Bruders auf sich zu ziehen. Natürlich könnte Sterling ihn ins Gebet nehmen wollen, weil Gabriella letzte Nacht in seinem Zimmer war, doch in eine solche Diskussion würde er ihre Mutter nicht miteinbeziehen.
»Dies …« Sterling warf die Papiere auf den Tisch, »ist ein Bericht.«
»Wie nett, mein Lieber«, sagte seine Mutter mit einem freundlichen Lächeln. »Und inwiefern betrifft er uns?«
»Es ist ein Bericht über Miss Montini.«
Sterling setzte sich auf seinen Stuhl. »Dürfte ich für die Zukunft vorschlagen, dass, sollten wir das Bedürfnis verspüren, eine Detektei mit Nachforschungen über besagte Person zu beauftragen, wir es gemeinsam tun. So bekämen wir am Ende eine Rechnung anstelle von dreien.«
»Dein abfälliger Ton ist gänzlich unnötig, Sterling«, ermahnte seine Mutter ihn streng. »Ich hatte keine Ahnung, dass du über Miss Montini nachforschen lassen wolltest.«
»Auch wenn du ihre Mutter kanntest, hast du gewiss nicht erwartet, dass ich eine Dame, die beim Einbruch ertappt wurde, hier wohnen lasse, ohne etwas über sie erfahren zu wollen.« Sterling trommelte mit den Fingern auf dem Tisch.
Seine Mutter räusperte sich kurz. »So wie du es ausdrückst, erscheint es in gewisser Weise schlüssig.«
»Wie es aussieht«, sagte Sterling, der in den Papieren blätterte, »erbat jeder von uns Informationen aus unterschiedlichen Bereichen. Du, Mutter, wolltest mehr über ihre Familie erfahren. Du, Nate wolltest etwas über ihre Vergangenheit wissen, und ich wollte mich über ihre gegenwärtigen Umstände informieren.«
Nate grinste. »Wie sind wir doch gründlich.«
Sterling blickte nur in den Bericht. »Dies hier zeichnet ein interessantes Bild von Miss Montini. Ich würde sagen, manches kommt nicht unerwartet, vieles allerdings recht überraschend. Denkst du nicht auch, Mutter?«
»Ich weiß nicht, mein Lieber«, sagte sie. »Ich habe den Bericht ja noch nicht gesehen.«
Sterling bedachte sie mit einem strengen Blick. »Aber du weißt mehr über Miss Montini, als du bisher erwähntest.«
»Mutter kannte Gabriellas Mutter«, sagte Nate, der von seinem Bruder zu seiner Mutter sah. »Wie sie uns bereits erzählte.«
»Nun, vielleicht hätte einer von uns auf den Gedanken kommen sollen, zu fragen, wer ihre Mutter war oder warum Miss Montini eine solch auffällige Ähnlichkeit mit Emma Carpenter aufweist.«
»Darüber hätte nichts in dem Bericht stehen müssen«, sagte seine Mutter leise. »Ich wusste es
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