Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Miss Henry vorbrachten, hielt er diese Reise nach wie vor für eine schlechte Idee. Wenigstens hatte er die Präsentation mit Quint zusammen weitestgehend fertiggestellt und weitere vorbeugende Maßnahmen ergriffen. In einem hatte seine Mutter Recht behalten: Gabriella war gestern kaum lange genug erwacht, um die Medizin zu nehmen, die der Arzt ihr dortgelassen hatte, ehe sie wieder einschlief. Sie könnten also tatsächlich zurück sein, bevor Gabriella bemerkte, dass er fort war.
»Ich habe dir etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen, das keinen Aufschub duldet«, sagte seine Mutter. »Am Ende der Pier ist eine Teestube. Dort können wir reden.«
»Ach, du liebe Güte.« Lady Danworthy wirkte erschrocken. »Es ist eine furchtbare Nachricht, nicht wahr?«
»Nein, meine Liebe, vielmehr ist es eine recht wunderbare.«
Lady Danworthy betrachtete Nates Mutter prüfend. »Millicent, ich kenne dich fast mein ganzes Leben. Also wenn du sagst, es ist wichtig, ist es das auch.« Dann winkte sie den beiden Damen, die etwas entfernt inmitten von Bediensteten und einem Meer von Gepäck standen. Nate krümmte sich innerlich. Oh, würde es dadurch nicht viel unkomplizierter!
»Nathanial«, sagte seine Mutter, als die beiden Damen näher kamen. »Du erinnerst dich gewiss an Lady Danworthys Schwester, Mrs Delong? Und natürlich kennst du Emma.«
»Obgleich wir uns seit Jahren nicht gesehen haben.« Emma Carpenter reichte ihm ihre Hand. »Wie geht es Ihnen, Nathanial.«
»Sehr gut, vielen Dank«, brachte er mit größter Mühe heraus. Er nahm ihre Hand, um Zeit zu gewinnen und die Fassung wiederzufinden. Kein Wunder, dass Gabriella ihm so bekannt vorgekommen war, als er sie zum ersten Mal sah. Es lag nicht nur an ihrem Bru∂er in Ägypten, sondern abgesehen von einer anderen Farbnuance bei Haar und Augen sowie einem leicht anders geformten Mund, könnten Emma und Gabriella sich ohne Weiteres als Zwillinge ausgeben. »Sie sind so schön wie eh und je.«
Sie lachte. »Und Sie sind noch charmanter als früher, wie ich sehe.«
»Nathanial«, unterbrach seine Mutter. »Denk daran, dass die Zeit entscheidend ist.«
»Selbstverständlich.« Innerhalb einer Viertelstunde hatte er alles arrangiert, dass die Bediensteten bei dem Gepäck blieben, hatte die Damen an einen Tisch mit hübscher Aussicht auf den Kanal gesetzt und zweimal dem Drang widerstanden, auf seine Uhr zu sehen.
»Nun?«, sagte Lady Danworthy. »Ich sterbe vor Neugier. Was ist nun von solch großer Wichtigkeit?«
»Caroline.« Seine Mutter ergriff die Hand der Freundin. »Wir haben Neuigkeiten über Gabriella für dich.«
»Gabriella?«, wiederholte Lady Danworthy verwirrt, dann griff sie mit ihrer freien Hand nach ihrer Schwester. »Gabriella, unsere Nichte?«
»Ja, Gabriella Montini.« Seine Mutter machte eine Pause, wobei Nate nicht wusste, ob sie nach den richtigen Worten suchte oder den dramatischen Moment verlängern wollte, der ihm allerdings schon dramatisch genug erschien. »Caroline, sie lebt.«
Mrs Delong stieß einen stummen Schrei aus. »Was meinst du?«
»Ich meine, sie ist nicht tot. Sie war nie tot. Meine Güte, von allen Dingen, die ich zu erklären habe, hätte ich nicht erwartet, dass ›lebt‹ dazugehört.«
»Aber uns wurde mitgeteilt …«, begann Lady Danworthy.
»Ja, nun, das war eine Lüge. Gabriellas Leben verlief bislang recht ungewöhnlich, aber ich kann euch versichern, dass sie eine liebreizende junge Dame ist. Ein wenig dickköpfig und mit einer Neigung zu impulsivem Verhalten vielleicht …«
Nate schnaubte leise.
»… aber brillant und auf ihre eigene, unabhängige Weise wirklich recht entzückend.«
Mrs Delong zog die Brauen zusammen. »Bist du dir sicher?«
»Wir haben ihre Identität überprüfen lassen, und ihr werdet keinerlei Zweifel mehr hegen, habt ihr sie erst gesehen.« Nate Mutter lächelte Emma an. »Sie sieht Emma sehr ähnlich.«
»Die wiederum Helene sehr ähnelt«, hauchte Mrs Delong.
»Helenes Tochter«, murmelte Lady Danworthy, deren Augen glänzten. »Aber wie?«
»Das ist eine lange und komplizierte Geschichte. Ich erzähle euch alles auf dem Weg nach London. Ihr müsst wissen, dass Gabriella verwundet wurde, aber sie wird wieder vollständig gesund. Trotzdem braucht sie ihre Familie.«
»Meine Damen, wir sollten uns auf den Weg machen«, sagte Nate, dem es nicht gelang, seine Ungeduld zu verbergen.
»Nein«, sagte Mrs Delong. »Wir können nicht nach London fahren.«
Nate hätte beinahe laut
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