Pfand der Leidenschaft
Hände zu mächtigen Fäusten geballt. Sein stechender Blick, der den Tod versprach, ruhte starr auf Cam.
Es war unverkennbar der Blutrausch eines Roma, dessen Familie entehrt worden war.
»Großer Gott!«, zischte Amelia.
Cam, der neben ihrem Stuhl stand, sah fragend zu ihr herab. »Hast du ihm etwas verraten?«
Amelia errötete, als sie sich an das blutige Nachthemd
und den Gesichtsausdruck der Zofe erinnerte. »Die Dienerschaft muss geklatscht haben.«
Cam sah den wutentbrannten Riesen schicksalsergeben an. »Du hast vielleicht Glück«, sagte er zu Amelia. »Anscheinend endet unsere Verlobung vorzeitig.«
Sie wollte sich neben ihn stellen, aber er drückte sie zurück auf den Stuhl. »Bleib sitzen. Ich will nicht, dass du dich bei der Auseinandersetzung verletzt.«
»Er wird mir kein Haar krümmen«, entrüstete sich Amelia. » Du bist derjenige, dem er an die Kehle will.«
Während Cam Merripens finsterem Blick trotzte, bewegte er sich langsam vom Tisch weg. »Wollt Ihr etwas Bestimmtes mit mir besprechen, Chal ?«, fragte er mit bewundernswerter Selbstbeherrschung.
Merripen antwortete ihm in der Sprache der Roma. Obwohl niemand außer Cam den genauen Wortlaut verstand, war es offensichtlich, dass es sich um keine freundliche Aufmunterung handelte.
»Ich werde sie heiraten«, sagte Cam, als wollte er ihn beschwichtigen.
»Das wird ja immer schlimmer!« Merripen stürzte sich mit Mordlust in den Augen auf ihn.
Hastig griff Lord St. Vincent in den Streit ein und stellte sich zwischen die beiden. Ähnlich wie Cam war er schon an unzähligen Schlägereien im Spielclub beteiligt gewesen. Er hob beschwichtigend die Hände und redete eindringlich auf Merripen ein: »Ganz ruhig. Ich bin sicher, dass wir einen Weg finden, um den Unstimmigkeiten auf vernünftige Art und Weise beizukommen.«
»Lasst mich durch«, knurrte Merripen und bereitete der Vorstellung, den Streit zivilisiert aus der Welt zu schaffen, ein jähes Ende.
St. Vincents freundliche Miene blieb unverändert. »Ihr habt völlig Recht. Es gibt nichts Langweiligeres, als vernünftig zu sein. Ich selbst vermeide es so gut es geht. Dennoch kann ich leider nicht zulassen, dass Ihr Euch vor den anwesenden Damen prügelt. Sie könnten womöglich auf dumme Gedanken kommen.«
Merripens brennender schwarzer Blick huschte zu den Hathaway-Schwestern und verharrte eine Sekunde zu lang auf Wins blassem, zartem Gesicht. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und versuchte, ihn stumm zum Einlenken zu überreden.
»Merripen …«, begann Amelia mit kratziger Stimme. Die Situation war schrecklich demütigend, aber gleichzeitig war sie von Merripens Verhalten gerührt. Immerhin wollte er ihre Ehre retten.
Cam brachte sie mit einer leichten Berührung zum Schweigen. Er starrte Merripen kühl an und sagte: »Nicht vor den Gadjos .« Dann nickte er mit dem Kopf in Richtung der Gärten und schritt zur Steintreppe.
Nach einem kurzen Zögern folgte ihm Merripen.
Siebzehntes Kapitel
Als die beiden außer Sicht waren, sagte Lord Westcliff zu St. Vincent: »Vielleicht sollten wir ihnen lieber in gebührendem Abstand folgen, um sie davon abzuhalten, sich gegenseitig umzubringen.«
St. Vincent schüttelte den Kopf und setzte sich genüsslich auf seinen Stuhl, bevor er Evies Hand nahm und mit ihren Fingern spielte. »Glaub mir, Rohan hat die Situation im Griff. Sein Gegner mag ein bisschen größer sein, aber Rohan hat den entscheidenden Vorteil, in London aufgewachsen zu sein, wo er andauernd mit Verbrechern und brutalen Kerlen zu tun hat.« Er lächelte seine Frau an und fügte rasch hinzu: »Und hier spreche ich allein von unseren Angestellten.«
Amelias Sorge galt nicht Cam. Ein Kampf zwischen den beiden Männern glich einem Wettstreit zwischen einer Keule und einem Degen … und der Degen mit seiner überlegenen Geschicklichkeit würde zweifelsohne den Sieg davontragen. Aber das Ergebnis brachte seine eigenen Gefahren mit sich. Abgesehen von Leo waren die Hathaways regelrecht vernarrt in Merripen. Wenn ihn jemand verletzte, würden es die Mädchen dem Angreifer nur schwer verzeihen. Insbesondere Win.
Amelia blickte zu ihren Schwestern und wollte schon etwas Tröstliches sagen, da erkannte sie, dass sich in Wins Gesicht weder Angst noch Hilflosigkeit widerspiegelten.
Win war verärgert.
»Merripen ist verletzt«, entrüstete sich Win. »Er sollte im Bett liegen und nicht Mr. Rohan hinterherjagen.«
»Es ist doch nicht meine Schuld, dass er von seinem
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