Pfand der Leidenschaft
und schien es doch nicht verhindern zu können.
Rasch zog sie sich ein elegantes schokoladenbraunes Kleid mit rosafarbenem, samtenem Saum an und stattete Merripen einen Besuch ab, dessen mürrische Griesgrämigkeit ihre Begeisterung über seine Genesung nicht mindern konnte.
Als sie sein Zimmer wieder verließ, erfuhr sie von einer Zofe, dass gerade zwei Gentlemen aus London angekommen waren, und dass Mr. Rohan sich mit ihnen in der Bibliothek besprach. Amelia vermutete, dass einer der beiden der Baumeister war, nach dem Cam geschickt hatte. Neugierig auf die Besucher, ging sie zur Bibliothek und blieb am Türrahmen stehen.
Die Stimmen erstarben. Die Männer hatten sich um den großen Tisch in der Bibliothek aufgereiht, zwei saßen, einer lehnte lässig dagegen, und ein weiterer – Leo – hockte teilnahmslos in der Ecke. Alle
außer Leo, der sich lediglich auf seinem Stuhl vorbeugte, als wäre damit der Höflichkeit genüge getan, erhoben sich schleunigst.
Cam war wie gewöhnlich mit auffallender Eleganz gekleidet: exquisite, perfekt geschneiderte Kleidung, wobei jedoch bewusst auf das Halsband verzichtet worden war. Hastig eilte Cam auf Amelia zu und nahm ihre Hand in seine. Dann hob er sie an die Lippen und drückte einen besitzergreifenden Kuss auf ihre Finger, eine Geste, die niemandem im Zimmer entging.
»Miss Hathaway.« Cams Ton war höflich, aber ein teuflisches Funkeln tanzte in seinen Augen. »Ihr kommt genau im richtigen Moment. Erlaubt mir, Euch diese beiden Herren vorzustellen.«
Amelia nickte den Männern freundlich zu, dem Baumeister namens John Dashiell, der in seinen späten Dreißigern war, und seinem Assistenten, Mr. Francis Barksby. Dashiell hatte sich mit dem Bau des Rutledge Hotels vor vielen Jahren einen bedeutenden Ruf erworben, und führte seitdem unzählige private und staatliche Projekte in ganz England aus. Er war ein großer, korpulenter Mann mit einem einnehmenden Lächeln, man konnte sich gut vorstellen, wie er am Anfang seiner Karriere als Tischlerlehrling, mit einem Hammer in der Hand, ausgesehen haben mochte. »Welche Freude, Miss Hathaway. Als ich vom Feuer im Ramsay House hörte, war ich entsetzt, aber glücklicherweise gab es keine Verletzten. Nicht alle Familien haben ein solches Glück.«
Sie nickte. »Vielen Dank, Sir. Wir sind überaus froh, auf Euren unschätzbaren Rat und Euer Wissen zurückgreifen zu dürfen.«
»Ich werde mein Bestes geben«, versprach er.
»Mr. Dashiell, beschäftigt Ihr eigentlich einen Architekten?«
»Wie es der Zufall will, ist mein Bruder sehr bewandert in architektonischen Dingen. Leider ist er zurzeit verhindert, doch wir sind bereits auf der Suche nach einem Ersatz.« Er warf Leo einen raschen Blick zu und drehte sich dann wieder zu Amelia um. »Ich hatte gehofft, Lord Ramsay überreden zu können, uns zum Anwesen zu begleiten. Ich würde gern seine Meinung hören.«
»Ich habe aufgehört, eine eigene Meinung zu haben«, erwiderte Leo. »Normalerweise stimmt mir sowieso niemand zu, und wenn es dann doch jemand tut, zeugt das nicht gerade von gesundem Menschenverstand.«
Mit viel gutem Zureden und einer kleinen List gelang es Cam dennoch, Leo davon zu überzeugen, sie nach Ramsay House zu begleiten. Später beschrieb er Amelia unter vier Augen, wie Leo anfangs mürrisch und schlecht gelaunt herumgeschlichen war, während sich Mr. Dashiell Notizen und Skizzen gemacht hatte. Aber es hatte Momente gegeben, in denen Leo einfach nicht widerstehen konnte, seine Abscheu gegen die verschnörkelten Spielereien der Barockzeit zum Ausdruck zu bringen und zu beschreiben, wie das Haus eigentlich aussehen sollte: voll Symmetrie, klaren Linien und schlichter Eleganz.
»Hast du im Gespräch mit Mr. Dashiell erwähnt, dass sich Mr. Frost derzeit in Hampshire aufhält?«, wollte Amelia wissen.
Kurz vor der Abenddämmerung, der Himmel verdunkelte sich bereits allmählich, schritten sie einen
Pfad entlang, der in die Wälder führte. Ein frischer Wind wirbelte Blätter auf und strich flüsternd über den Boden. Cam zog Amelia einen Handschuh aus, schob ihn sich in die Tasche und nahm ihre Hand in seine.
»Nein«, entgegnete er, »das habe ich nicht. Warum sollte ich auch?«
»Nun, Mr. Frost ist ein hervorragender Architekt, und als Freund der Familie hat er angeboten, uns mit Rat und Tat zur Seite zu …«
»Er ist kein Freund der Familie«, unterbrach sie Cam. »Und wir brauchen seinen Rat nicht. Er wird unter gar keinen Umständen irgendetwas mit
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