Pfand der Leidenschaft
weinte, schien die Atmosphäre
zur Ruhe zu kommen, die frostklirrende Luft wurde friedvoll, das blaue Licht begann, wie der Nachhall eines weit entfernten, sterbenden Sterns, zu verblassen. Allein das leise Flirren von Flügeln war zu vernehmen – ein paar Bienen wagten sich zögerlich aus dem Bienenstock und schwirrten dann zurück zur Wandvertäfelung.
Leise murmelnd hielt Cam Leos Schultern umklammert. Er redete in der Sprache der Roma, und die Worte schwebten wie herabfallende Blätter in der surrenden Luft. Es war ein Versprechen, eine Übereinkunft mit einem schwindenden, gestaltlosen Geist.
Und dann saßen auf einmal nur noch drei Menschen in der Dunkelheit, zwischen zerschmettertem Glas und einer weggeworfenen Pistole.
»Sie ist fort«, flüsterte Cam leise. »Sie ist frei.«
Leo nickte. Er war versehrt, aber am Leben. Gebrochen, aber nicht hoffnungslos verloren.
Und letztlich mit dem Leben versöhnt.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Nachdem sie Leo zurück nach Stony Cross Manor und zu Bett gebracht hatten, blieb Amelia mit Cam vor seinem Zimmer stehen. Ihre Gefühle waren so stark und aufgewühlt, dass sie sie kaum im Zaum halten konnte. »Ich werde Poppy sagen, dass es ihm gutgeht«, flüsterte sie.
Cam nickte schweigend. Ihre Finger berührten sich sachte.
Dann trennten sie sich, und Amelia eilte zu ihrer Schwester.
Poppy lag mit weit geöffneten Augen im Bett. »Du hast Leo gefunden«, murmelte sie, als Amelia eintrat.
»Ja, meine Liebe.«
»Ist er …?«
»Es geht ihm gut. Ich denke …« Amelia setzte sich auf den Rand des Bettes und lächelte ihre Schwester an. »Ich denke, ihm wird es von nun an bessergehen.«
»Wird er wieder der Alte sein?«
»Das weiß ich nicht.«
Poppy gähnte. »Amelia … versprichst du, nicht böse zu werden, wenn ich dich etwas frage?«
»Ich bin viel zu müde, um böse zu sein. Frag ruhig.«
»Wirst du Mr. Rohan heiraten?«
Bei der Frage durchströmte Amelia ein Gefühl der köstlichsten Freude. »Sollte ich denn?«
»O ja! Immerhin hat er dich kompromittiert. Und außerdem hat er einen guten Einfluss auf dich. Du bist nicht so kratzbürstig, wenn er in der Nähe ist.«
»Welch entzückendes Kind«, bemerkte Amelia und strahlte Poppy an. »Ich werde es dir morgen früh sagen, meine Liebe. Und nun schlaf schön.«
Sie schritt durch die düstere Stille der Korridore und war nervös wie eine Braut vor dem Altar, während sie sich auf die Suche nach Cam machte. Es war an der Zeit, endlich so offen, ehrlich und vertrauensvoll zu sein, wie sie es noch nie zuvor gewesen war – nicht einmal in ihren intimsten Momenten. Ihr laut pochender Herzschlag schien überall widerzuhallen, selbst in ihren Fingerspitzen und Zehen. Sie schlich zu Cams Schlafgemach, aus dessen angelehnter Tür ein fahles Licht drang.
Cam saß vollständig angezogen auf dem Bett. Er hatte den Kopf gesenkt und mit den Händen seine Knie umschlossen, wie jemand, der tief in Gedanken versunken ist. Doch als Amelia eintrat und die Tür hinter sich schloss, blickte er auf.
»Was ist los, Liebste?«
»Ich …« Zögerlich ging sie zu ihm. »Ich habe Angst, dass du mir meinen sehnlichsten Wunsch nicht erfüllen wirst.«
Sein Lächeln raubte ihr den Atem. »Ich habe dir noch nie einen Wunsch abgeschlagen. Und werde wohl kaum jetzt mit dieser Tradition brechen.«
Amelia blieb vor ihm stehen, und ihre Unterröcke bauschten sich zwischen seinen gespreizten Knien. Sein sauberer, salziger, betörender Geruch stieg ihr in die Nase. »Ich habe dir einen Vorschlag zu unterbreiten«, sagte sie und versuchte, einen sachlichen
Ton anzuschlagen. »Einen sehr vernünftigen. Du musst wissen …« Sie machte eine kurze Pause und räusperte sich. »Ich habe über dein Problem nachgedacht.«
»Welches Problem?« Cam spielte amüsiert mit dem Stoff ihres Kleides und studierte aufmerksam ihr Gesicht.
»Dein Glücksfluch. Ich weiß, wie du dich seiner entledigen kannst. Du solltest in eine Familie einheiraten, die großes, großes Pech hat. Und dann müsstest du dich nicht mehr dafür schämen, so viel Geld zu haben, weil es genauso schnell zwischen deinen Fingern zerrinnt, wie du es verdienen kannst.«
»Das ist sehr vernünftig.« Cam nahm ihre zitternden Finger in seine warmen Hände und berührte mit dem Stiefel ihren rasch klopfenden Fuß. »Kleiner Kolibri«, flüsterte er, »du musst bei mir nicht nervös sein.«
Nachdem Amelia endlich all ihren Mut zusammengenommen hatte, platzte mit einem Schlag alles
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