Pfand der Leidenschaft
müssen. Und auf Euch …« Sie versuchte, ihn anzulächeln. »Auf Euch wartet ein Vardo .« Sie bückte sich unbeholfen und hob die magische Laterne auf. »Lebt wohl, Mr. Rohan. Ich hoffe, Ihr findet das, wonach Ihr sucht. Ich hoffe …« Sie brach mitten im Satz ab und setzte ein gezwungenes Lächeln auf. Ein sonderbar stechender Schmerz durchzuckte sie und überdeckte den bittersüßen Geschmack der unstillbaren Sehnsucht, die in ihr keimte. »Lebt wohl, Cam«, flüsterte sie.
Er rührte sich nicht und sprach kein Wort, aber Amelia spürte, wie er ihr gebannt nachsah, als sie zu Christopher Frost hinüberging … sie spürte, wie sein Blick ihre Kleidung durchbohrte und ihre Haut berührte. Und bei jedem Schritt, mit dem sie sich von ihm entfernte, machte sich eine immer größer werdende Traurigkeit in ihr breit.
Sie und Christopher gingen langsam nebeneinander her, fielen in einen vertrauten Gleichschritt. Während er ihr den Hof gemacht hatte, waren sie oft spazieren gegangen oder hatten in Begleitung kurze Ausflüge unternommen. Es war ein angemessenes Werben gewesen, mit tiefgründigen Gesprächen, zärtlich verfassten Briefen und süßen, gestohlenen Küssen. Es war ihr wie im Märchen vorgekommen, dass sich ein solch gut aussehender und vollkommener Mann für sie interessieren könnte. Vielmehr hatte es Amelia anfangs genau aus diesem Grund nicht für ernst genommen und Christopher lachend gesagt, dass er nur mit ihr spiele. Aber er hatte entgegnet, dass er wohl kaum mit der Schwester seines besten Freundes spielen würde und er gewiss kein Londoner Schürzenjäger war, der ihr das Blaue vom Himmel versprach.
»Erstens kleide ich mich nicht gut genug für einen Schürzenjäger«, hatte Christopher mit einem scherzhaften Grinsen angemerkt und auf seinen gut geschnittenen, jedoch unscheinbaren Anzug gezeigt.
»Ihr habt Recht«, hatte Amelia zugestimmt, nachdem sie ihn mit gespielter Ernsthaftigkeit von oben bis unten begutachtet hatte. »Eigentlich seid Ihr nicht einmal gut genug für einen Architekten gekleidet.«
» Außerdem «, war er fortgefahren, »habe ich eine äußerst ehrbare Vergangenheit, was Frauen anbelangt. Keinerlei gebrochene Herzen und kein ruinierter Ruf. Würde ein Schürzenjäger eine solche Behauptung aufstellen?«
»Ihr seid sehr überzeugend«, hatte Amelia angemerkt, und ihr Atem war schneller gegangen, als er sich auf einmal vor ihr aufgebaut hatte.
»Miss Hathaway«, hatte Christopher geflüstert und
ihre kühle Hand mit seinen warmen Fingern umschlossen, »habt Mitleid mit mir. Gestattet mir zumindest, dass ich Euch schreiben darf. Versprecht mir, meinen Brief zu lesen. Und wenn Ihr mich im Anschluss immer noch nicht wollt, werde ich Euch nie wieder belästigen.«
Fasziniert hatte Amelia eingewilligt. Und welch ein Brief es gewesen war … charmant und wortgewaltig und stellenweise geradezu glühend vor Leidenschaft. Sie hatten einen regen Briefwechsel begonnen, und Christopher war häufig ein gerngesehener Gast in Primrose Place gewesen.
Nie zuvor hatte Amelia die Gesellschaft eines Mannes so genossen. In fast allen Dingen des Lebens vertraten sie dieselbe Ansicht. Und wenn sie doch einmal unterschiedlicher Meinung waren, war es sogar noch unterhaltsamer. Christopher war kein aufbrausender Mensch – sein Zugang zur Welt war analytisch, wissenschaftlich, wie der ihres Vaters. Und wenn sich Amelia einmal über Christopher ärgerte, lachte er nur und küsste sie, bis sie vergaß, was der eigentlich Grund ihres Streits gewesen war.
Christopher hatte nie versucht, Amelia zu verführen – dafür respektierte er sie zu sehr. Selbst in Momenten, in denen sie vom Verlangen nach ihm überwältigt wurde und ihn ermunterte, mehr als nur keusche Küsse auszutauschen, hatte er sich strikt geweigert. »Ich will dich, Liebling«, hatte er geflüstert, während seine Augen vor Leidenschaft glänzten. »Aber erst, wenn wir es auch dürfen. Erst, wenn ich dich zu meiner Frau gemacht habe.«
Diese Worte waren alles, was ähnlich wie ein Antrag geklungen hatte. Es hatte keine offizielle Verlobung
gegeben, obwohl Christopher sie immer im Glauben gelassen hatte, dass er nur auf den richtigen Augenblick wartete. Dann war plötzlich eine geheimnisvolle Stille eingetreten, die beinahe einen Monat angedauert hatte. Und schließlich war Leo auf Amelias Geheiß zu ihm gefahren – und zornentbrannt aus London zurückgekehrt.
»Es gibt Gerüchte«, hatte ihr Bruder unwirsch gesagt, Amelia an
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