Pfand der Leidenschaft
seine Brust gedrückt und ihr die Tränen mit seinem Taschentuch getrocknet. »Er ist mit Rowland Temples Tochter gesehen worden. Es heißt, er mache ihr den Hof.«
Und dann war ein weiterer Brief von Christopher gekommen, so niederschmetternd und voller Zerstörungswut, dass sich Amelia verblüfft fragte, wie ihr ein bisschen Tinte auf einem Papier so schmerzhaft die Seele aus dem Leib reißen konnte. Außerdem verstand sie nicht, wie sie ein solch höllischer Schmerz durchzucken konnte, ohne dass sie daran zugrunde ging. Sie hatte sich eine Woche in ihrem Bett verkrochen, kein einziges Mal ihr abgedunkeltes Zimmer verlassen und bitterlich geweint.
Aus einer Laune des Schicksals rettete ihr gerade das Scharlachfieber, an dem Win und Leo erkrankten, das Leben. Sie brauchten sie, und Amelias aufopferungsvolle Hingabe holte sie aus den Tiefen der Verzweiflung. Anschließend weinte sie Christopher Frost keine weitere Träne mehr nach.
Aber das Ausbleiben von Tränen war nicht gleichbedeutend mit dem Ausbleiben von Gefühlen. Amelia war überrascht, als sie nun feststellen musste, dass sie all die Eigenschaften, die sie früher an ihm geliebt hatte, immer noch anziehend fand. Sie hatte vermutet,
dass ihre Zuneigung für ihn unter der verbitterten Traurigkeit über seinen Verrat für immer vergraben bliebe.
»Ich bin die letzte Person, die das Recht hätte, sich in dein Privatleben einzumischen«, sagte Christopher rasch. Er reichte ihr den Arm, und Amelia zögerte, bevor sie das Angebot annahm. »Aber dir ist sicherlich bewusst, was die Leute sagen werden, wenn man dich mit ihm sieht.«
»Ich weiß deine Besorgnis um meinen Ruf zu schätzen.« In Amelias Ton schwang ein Hauch von Sarkasmus mit. »Ich bin jedoch nicht die Erste, die sich auf einem Dorffest den Launen des Lebens hingibt.«
»Wenn du mit einem Gentleman zusammen bist, wird man über einige Launen hinwegsehen. Doch er ist ein Zigeuner, Amelia.«
»Das ist mir nicht entgangen«, erwiderte sie trocken. »Ich hätte allerdings gedacht, dass du vor solchen Vorurteilen gefeit bist.«
»Das ist kein Vorurteil«, schleuderte ihr Christopher entgegen, »so denkt die Gesellschaft nun einmal. Leugne es, wenn du möchtest, aber du wirst den Preis dafür zahlen müssen.«
»Die Angelegenheit erübrigt sich sowieso«, sagte sie. »Mr. Rohan reist in Kürze nach London und anschließend in die unbekannte Ferne. Ich werde ihn wohl nie wiedersehen. Und ich kann mir beim besten Willen nicht denken, warum es dich interessieren sollte.«
»Natürlich interessiert es mich«, sagte Christopher sanft. »Amelia … Ich bedauere zutiefst, dich verletzt zu haben. Mehr als du dir jemals vorstellen könntest. Ich will nicht mitansehen müssen, wie dir durch eine
weitere unvernünftige Liebesbeziehung Leid zugefügt wird.«
»Ich bin nicht in Mr. Rohan verliebt«, beteuerte sie. »Ich wäre niemals so töricht.«
»Das freut mich.«
Sein übertrieben ruhiger Tonfall ärgerte Amelia, und das unbezähmbare Verlangen, ihn zu kränken, erfasste sie mit einem Schlag. »Warum bist du eigentlich nicht verheiratet?«, erkundigte sie sich.
Auf die Frage folgte ein langes Seufzen. »Sie hatte meinen Antrag ihrem Vater zuliebe angenommen und nicht, weil sie echte Zuneigung für mich empfand. Wie es der Zufall wollte, liebte sie einen anderen, einen Mann, den ihr Vater nicht guthieß. Schlussendlich sind sie nach Gretna Green durchgebrannt.«
»Da wurde der Gerechtigkeit wohl Genüge getan«, sagte Amelia. »Du hast jemanden sitzengelassen, der dich geliebt hat. Und sie hat dich für jemanden sitzenlassen, den sie liebt.«
»Würde es dich freuen, wenn ich dir beichte, dass ich sie nie geliebt habe? Ich habe sie gemocht und verehrt, aber … es war nichts im Vergleich zu den starken Gefühlen, die ich für dich empfunden habe.«
»Nein, das freut mich nicht im Geringsten. Es macht die Sache sogar noch schlimmer. Dein Ehrgeiz war dir wichtiger als alles andere.«
»Ich bin ein Mann, der sich selbst – und irgendwann einmal eine Familie – mit einer unsicheren Arbeit unterhalten muss. Ich kann nicht erwarten, dass du meine Entscheidung verstehst.«
»Deine Arbeit war nie so unsicher, wie du es jetzt darstellst«, setzte ihm Amelia entgegen. »Deine Aussicht auf Aufträge war sehr vielversprechend, selbst
wenn du Rowland Temples Tochter nicht geheiratet hättest. Leo hat mir gesagt, dass dich dein Talent weit bringen wird.«
»Als würde Talent alleine ausreichen! Das ist doch
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