Pfand der Leidenschaft
naiv!«
»Nun, Naivität scheint den Hathaways im Blut zu liegen.«
»Amelia«, murmelte er. »Ein derartiger Zynismus sieht dir gar nicht ähnlich.«
Sie reckte das Kinn. »Du kennst mich nicht mehr.«
»Dann lass mich dich wieder kennenlernen.«
Bei seinen Worten musste sie ungläubig aufsehen. »Du würdest keinen Nutzen daraus ziehen, unsere Freundschaft aufleben zu lassen, Christopher. Ich bin weder reicher geworden, noch verfüge ich über bessere Beziehungen. Nichts hat sich seit unserem letzten Treffen verändert.«
»Vielleicht habe ich mich verändert. Vielleicht habe ich eingesehen, was ich verloren habe.«
»Was du weggeworfen hast«, korrigierte sie ihn, und ihr Herz pochte schmerzhaft.
»Was ich weggeworfen habe«, räumte er kleinlaut ein. »Ich war ein Narr und ein gemeiner Schuft, Amelia. Ich würde nie erwarten, dass du über mein Vergehen einfach hinwegsiehst. Aber gib mir zumindest die Möglichkeit, Wiedergutmachung zu leisten. Ich will für deine Familie da sein. Und deinem Bruder helfen.«
»Das kannst du nicht«, sagte Amelia. »Du siehst doch, was aus ihm geworden ist.«
»Er ist ein Mann, in dem ein ungeheures Talent steckt. Es wäre geradezu ein Verbrechen, es zu vergeuden. Vielleicht, wenn ich ihm meine Freundschaft anbieten würde …«
»Ich denke nicht, dass er dafür sehr empfänglich ist.«
»Ich will ihm helfen. Ich könnte meinen Einfluss auf Rowland Temple geltend machen. Seit dem Durchbrennen seiner Tochter steht er in meiner Schuld.«
»Wie schön für dich.«
»Womöglich könnte ich Leos Interesse wecken, damit er wieder für ihn arbeitet. Davon würden beide Seiten profitieren.«
»Und welchen Nutzen würdest du aus der Sache ziehen?«, erkundigte sich Amelia. »Warum solltest du dir wegen Leo solche Umstände machen?«
»Ich bin kein böser Mensch, Amelia. Ich habe ein Gewissen, wenngleich ich es in letzter Zeit geflissentlich übergangen habe. Es ist nicht leicht, mit den Erinnerungen an die Menschen zu leben, die ich in der Vergangenheit verletzt habe. Eingeschlossen dich und deinen Bruder.«
»Christopher«, murmelte sie und warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken …«
»Nimm dir alle Zeit der Welt«, erwiderte er leise. »Wenn ich nicht mehr der sein kann, der ich früher einmal für dich war … werde ich mich damit zufriedengeben, nur ein guter Freund zu sein.« Er lächelte zaghaft, und seine Augen leuchteten vor Zärtlichkeit. »Aber wenn du dich jemals nach mehr von mir sehnst … reicht ein einziges Wort.«
Zwölftes Kapitel
Normalerweise wäre Cam über die Ankunft von Lord und Lady St. Vincent in Stony Cross Park erfreut gewesen. Aber die Aussicht, St. Vincent seinen Entschluss beichten zu müssen, den Club verlassen zu wollen, erfüllte ihn mit Unbehagen. St. Vincent würde seine Entscheidung nicht gefallen. Es käme ihm nicht nur ungelegen, einen Nachfolger für seinen zuverlässigen Manager zu finden, der Viscount würde Cams Wunsch, von nun an als Roma zu leben, einfach nicht nachvollziehen können. Immerhin war St. Vincent ein enthusiastischer Verfechter von Eleganz und Kultiviertheit.
Die St. Vincents waren mit ihrer Tochter Phoebe gekommen, einem rothaarigen Mädchen mit einem erschreckend unbeständigen Wesen. In einem Moment war die Kleine friedlich und bezaubernd, während sie sich im nächsten in einen kreischenden Teufelsbraten verwandelte, der sich nur von der besänftigenden Stimme seines Vaters beruhigen ließ. »Ganz ruhig, mein Liebling«, flüsterte St. Vincent seinem Töchterchen stets ins Ohr. »Hat dich jemand verärgert? Dir nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt? Oh, wie unverschämt! Meine arme Prinzessin soll alles haben, was sie will …« Und beschwichtigt durch die süßen Worte ihres Vaters, setzte die verhätschelte Phoebe ein breites Lächeln auf.
Das Mädchen wurde gebührend bewundert und
im Salon von einem Arm zum nächsten gereicht. Evie und Lillian plauderten ohne Unterlass, umarmten sich gelegentlich und hakten sich unter.
Nach einer Weile zogen sich Cam, St. Vincent und Lord Westcliff auf die Terrasse zurück, wo eine nachmittägliche Brise den köstlichen Duft des Flusses, von Schilfgras und Sumpfdotterblumen zu ihnen trug. Allein das laute Geschnatter der Graugänse und das tiefe Muhen der Kühe, die einen ausgetretenen Pfad zu einer saftigen Wiese hinabgetrieben wurden, durchschnitt die herbstliche, friedvolle Stille
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