Pfand der Leidenschaft
Französisch und das Arrangieren von Blumen lernen würde sowie alle anderen gesellschaftlichen Umgangsformen, die dem Rest der Hathaways fehlten. Aber es war kein Geld übrig – schon gar nicht nach der Katastrophe des vergangenen Tages.
Sie spürte, wie Win ihre Hand nahm und leicht drückte. Als Amelia in die verständnisvollen blauen Augen ihrer Schwester sah, seufzte sie bitter. Sie schwiegen einen Moment, die Hände in gegenseitigem Beistand verbunden.
»Amelia«, flüsterte Win, »setz dich neben mich. Ich muss dich etwas fragen.«
Amelia ließ sich in den Stuhl sinken, von dem sie eine ausgezeichnete Sicht auf die Gärten hatte. Da durchfuhr sie ein plötzlicher Stich, als sie ein Männer-Trio bemerkte, das gemächlich an einer Eibenhecke entlangspazierte – und Cams dunkle, elegante Gestalt unverkennbar herausstach. Wie seine Gefährten trug Cam Reithosen und hohe Lederstiefel. Doch anstatt des traditionellen Reitrocks trug er ein weißes Hemd und eine kragenlose Weste aus dünnem Leder. Eine sanfte Brise strich ihm durchs schwarze Haar und zerwühlte ihm die glänzenden Locken.
Beim Gehen kommunizierte Cam mit der Natur auf eine Art, die den anderen beiden Männern fremd war. Geschmeidig zupfte er ein Blatt von der Hecke oder strich scheinbar gedankenverloren mit der Hand über die kupferfarbenen Halme des Chinaschilfs, ohne jedoch ein einziges Wort der Unterhaltung zu verpassen.
Obwohl er von Amelias Anwesenheit nichts wissen konnte, blieb er abrupt stehen und sah über die Schulter in ihre Richtung. Sie waren mindestens zwanzig Meter voneinander entfernt, und dennoch versetzte sein stechender Blick sie in Aufruhr. Eine prickelnde Gänsehaut überzog ihren Körper.
»Amelia«, fragte Win, »hast du irgendein Arrangement mit Mr. Rohan getroffen?«
Amelias Mund war auf einmal trocken. Hastig verbarg sie die linke Hand – die Hand mit dem Ring – in den Falten ihres Kleides. »Natürlich nicht. Wie kommst du auf so eine abstruse Idee?«
»Er, Lord Westcliff und Lord St. Vincent unterhalten sich schon den ganzen Morgen über angeregt, seit sie von Ramsay House zurückgekehrt sind. Ich kam
nicht umhin, einige Gesprächsfetzen mitanzuhören, als sie auf der Terrasse saßen. Und die Dinge, die sie besprachen – die Art, wie sich Mr. Rohan ausgedrückt hat – es klang so, als würde er in unserer aller Namen sprechen.«
»Was meinst du damit?«, fragte Amelia empört. »Niemand außer mir spricht im Namen der Hathaways. Und natürlich Leo.«
»Er scheint sogar Entscheidungen zu treffen, was und wann etwas getan werden muss.« Win fügte kleinlaut hinzu: »Als sei er das Familienoberhaupt.«
Ein Sturm der Entrüstung breitete sich in Amelia aus. »Aber er hat kein Recht dazu … Ich weiß nicht, wie er auf den Gedanken kommt … o mein Gott !«
Diese Angelegenheit musste augenblicklich aus der Welt geräumt werden.
»Ist bei dir alles in Ordnung, meine Liebste?«, fragte Win besorgt. »Du siehst blass aus. Hier, trink einen Schluck von meinem Tee.«
Wohl wissend, dass alle drei Schwestern sie mit aufgerissenen, runden Augen anstarrten, nahm Amelia die Porzellantasse und leerte sie mit einem Schluck.
»Wie lange werden wir eigentlich hierbleiben, Amelia?«, wollte Beatrix wissen. »Mir gefällt Stony Cross Manor viel besser als Ramsay House.«
Bevor Amelia eine Antwort geben konnte, rief Poppy: »Woher hast du diesen hübschen Ring? Darf ich ihn mal anschauen?«
Amelia sprang auf. »Entschuldigt mich – ich habe mit jemandem zu reden.« Sie durchmaß die Terrasse und eilte die gewundene Treppe zum Gartenpfad hinab.
Während sie sich den drei Männern näherte, die
neben einer Steinvase mit wunderschönen Dahlien stehen geblieben waren, hörte sie Dinge wie: »… das bestehende Fundament stützen …«, oder »… die übriggebliebenen Steine vom Jenners herbringen lassen …«
Warum sprachen sie über Ramsay House?, fragte sie sich mit wachsendem Entsetzen. Sie konnten nicht wissen, wie kärglich ihre Jahresapanage war. Ihre Familie konnte sich weder die benötigten Materialien noch die Arbeiter leisten, um das Haus renovieren zu lassen.
Als die drei Männer ihrer Gegenwart gewahr wurden, drehten sie sich jäh um. Lord Westcliff setzte eine freundliche, besorgte Miene auf, während Lord St. Vincent erfreut, wenn auch distanziert wirkte. Cams Gesicht war ausdruckslos, und sein Blick huschte rasch über sie hinweg.
Amelia nickte zum Gruß. »Guten Tag, Gentlemen.« Sie stählte sich, um
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