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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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meine Mutter, »warum hast du dann die Zettel mit auf die Kanzel genommen?«
    »Weib«, sagte Vati, er sagte immer »Weib« zu ihr, wenn er sie besonders mochte; »Weib, das tat ich nur zu eurer Beruhigung!«
    »O Himmel!« seufzte Mutti, »zu unserer Beruhigung!« Dann aßen wir.
    Manfred schrieb seine Predigten auf der Schreibmaschine. Wort für Wort, drei Seiten lang. Als er das Konzept fertig hatte, kam er zu mir.
    »Kann ich dir etwas vorlesen?«
    »Nein«, sagte ich. Ich stand auf dem Küchentisch, die Hände voller Seifenlauge und war dabei, die Regale abzuwaschen. Ich wollte nicht zuhören, ich wollte selber jammern. Diese dummen, offenen Regale, zu nichts nütze, als Kochtopfdeckel dahinter zu klemmen, verrußt, dreckig! Ich würde es nie schaffen, diese Küche bis zum Sonntag in Ordnung zu bringen!
    »Ich will dir meine Predigt vorlesen«, sagte Manfred. Das war höhere Gewalt. Wie hätte ich mich erdreisten können, niedere Küchenarbeit über eine Predigt zu stellen? Ich kletterte ergeben vom Küchentisch und setzte mich auf einen Hocker. Er las, ich dachte an die Regale und daß man vielleicht auch buntbemalte Teller dahinterstellen könne, was sicher gut aussehen würde. Manfred verstummte. »Schön«, sagte ich.
    »Was heißt schön? Was gefällt dir nicht?«
    »Aber sie gefällt mir ja! Sie ist schön.« Predigten darf man nicht kritisieren, man kann sich immer etwas davon mitnehmen! So hatte ich es gelernt, und jetzt sollte ich auf einmal meine ehrliche Meinung sagen.
    »Lies sie noch einmal«, bat ich.
    Er tat’s, dann redeten wir darüber und zankten uns. Schließlich ging er wütend in sein Zimmer und schlug die Türe zu. Das hatte ich nun davon, nichts als Ärger! Manfred hämmerte auf seine Schreibmaschine ein, ich schrubbte die Regale und hatte ein schlechtes Gewissen. Loben hätte ich ihn sollen, die guten Stellen herausstreichen! Nie wieder würde er mir eine Predigt vorlesen! Nach zwei Stunden erschien er mit einem neuen Konzept. Ich war begeistert. Was für eine Predigt! Die müden Kirchgänger würden aufhorchen, die verstockten Sünder in Tränen der Reue ausbrechen! Besonders die kleine Beispielgeschichte fand ich ausgezeichnet. Manfred hatte sie sich mühsam vom Herzen gerungen. Er mag keine Beispielgeschichten, weil er mit Recht befurchtet, daß sie nicht so ganz passen.
    Der Sonntagmorgen brach an. Manfred aß zwei Toaste und ein Ei. Ich sah es mit Erleichterung. »Du zitierst doch keine Verse?« fragte ich.
    »Verse? Nein, wieso? Oder meinst du, ich sollte noch einen Vers in die Predigt einbauen!«
    »Nein, bloß nicht. Die Predigt ist wunderbar, ein Vers würde empfindlich stören!« rief ich.
    Was für ein herrliches Gefühl! Keine Angst mehr vor Versen! Aber halt, da lauerte noch eine andere Gefahr. »Nimmst du die Predigt mit auf die Kanzel?« fragte ich. »Ja natürlich«, sagte er, »wozu habe ich sie geschrieben. Aber keine Sorge, ich kann sie auswendig und schaue nur ab und zu ins Konzept.« Ich sah weiße Zettel in der Luft schweben, hilflose Blicke von der Kanzel, schadenfrohe Gesichter auf der Empore.
    »Du mußt die Blätter mit einer Reißzwecke an die Kanzel drücken«, beschwor ich ihn, »sie könnten sonst runterfallen!«
    Er lachte. »Hast du Sorgen«, sagte er, »mir fällt keine Predigt von der Kanzel!«
    Der kleine Kirchturm schien zu beben, so gewaltig läuteten die Glocken. Sie erklangen nun schon zum dritten Mal. Wenn es um halb neun Uhr läutet, so hatte mir die Mesnerin erklärt, machen sich die Leute auf den Bauernhöfen rings um das Dorf fertig. Um neun Uhr, beim zweiten Läuten, brechen die Kirchgänger aus den entfernten Filialen auf. Um halb zehn Uhr beim letzten gewaltigen Hauptläuten kommen die Leute aus dem Dorf. Manfred zog seinen Talar über und knöpfte die zahlreichen Knöpfe zu.
    »Bindest du mir das Beffchen?« fragte er.
    Ich tat es mit Eifer und Freude, stopfte die Bandzipfel fein säuberlich unter den Talarkragen und vergewisserte mich, daß das Beffchen auch schön in der Mitte saß. Es war tadellos weiß und so steif gestärkt, daß die Zipfel starr in die Höhe standen. Diese Leistung hatte noch meine Schwiegermutter vollbracht. In Zukunft würde es meine Aufgabe sein, die Beffchen zu waschen, zu stärken und zu bügeln. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten mit dem heimtückischen Stück Stoff. Einmal stand es wie ein Tablett unter dem Kinn, ein anderes mal hing es trübselig und schlaff nach unten. Ich setzte meine ganze Kraft darein, den

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