Pfarrers Kinder Muellers Vieh
bist eben doch ein kluges Mädchen«, sagte Manfred, »und eine sparsame Pfarrerstochter.«
Wir waren für den Winter gerüstet und mußten das Holz nur noch zwei Treppen nach unten tragen, wenn wir heizen wollten.
Vom Speicher führte eine schmale Stiege hinauf in den höchsten Raum des Hauses. Hier gab es Fledermäuse. Hier hing im Winter meine Wäsche, hier staubten im Sommer die Vorfenster ein.
Ich sah die großen Fenster unter dem schrägen Dach liegen und betrachtete sie mit Abscheu. Wie schmutzig und voller Spinnweben sie waren! Mochten sie in Frieden ruhen. Ich wollte sie auf keinen Fall putzen und in der Wohnung haben.
Der Herbst kam, und eines Tages sagte die Mesnerin zu mir: »Ihr miaßet au eure Vorfenster neido!«
Sie hatte recht. Die Fenster klapperten. Es zog so sehr, daß sich die Gardinen im Luftzug bauschten. Die Kälte kroch ins Haus. Also wehrte ich mich nur schwach und ohne rechte Überzeugung. Manfred schleifte die sperrigen Dinger vom Speicher in die Küche, legte sie über zwei Hocker, und ich putzte sie. Es waren dreizehn zweiflügelige Fenster für das Wohngeschoß.
Die Putzerei war ärgerlich, aber das Einsetzen hinterher lebensgefährlich. Manfred balancierte das Monstrum zur Fensteröffnung hinaus, um es von außen in die Angeln zu heben. Ich hielt ihn krampfhaft fest, damit er nicht das Gleichgewicht verlöre und mitsamt dem Fenster unten zerschellte. Nach dem Einsetzen des ersten Fensters zitterten wir beide so sehr, daß wir uns erst ein Weilchen setzen mußten, bevor das nächste an die Reihe kam. Als das Werk vollendet war, zog es nicht mehr im Haus. Statt der inneren Fenster klapperten nun die äußeren.
Eisgang im Pfarrhaus und das Bad am Montagmorgen
Unser erster Winter in Weiden war der kälteste Winter seit Jahren. Es begann ganz harmlos mit ein paar milden, feuchten Tagen. Unsere Diele und die Wände des Treppenhauses glänzten vor Nässe. Also sorgten wir für offene Fenster und Durchzug. Am nächsten Morgen war unser Haus zum Eispalast geworden. Es hatte gefroren und zwar so sehr, daß auch im Hause Kältegrade herrschten. Wir standen frierend in der kalten Pracht. Die Wände des Treppenhauses glitzerten in der Sonne, sie trugen eine dicke Reifschicht. Die untere Diele war spiegelglatt, wir hätten Schlittschuh laufen können, wenn uns danach zumute gewesen wäre. Die Tropfen an der Decke hingen nun als Eiszapfen herunter. Sie wurden von Tag zu Tag länger. Auch vom Boden wuchsen Eiszapfen in die Höhe. Wir kamen uns vor wie in einer Tropfsteinhöhle mit Stalaktiten und Stalagmiten. Die Fenster waren verziert mit den schönsten Eisblumen der Saison. Manfred schleppte Kohlen aus dem Keller nach oben, ich Holz aus dem Speicher nach unten, um die gierigen Mäuler unserer Öfen zu füllen. Mehr als zwei Zimmer konnten wir nicht heizen, sonst wären wir dauernd unterwegs gewesen.
Eines Morgens kamen wir schlotternd zur Wasserstelle in der Küche, um die tägliche Waschung vorzunehmen. Es gurgelte aber nur ein bißchen Wasser aus der Röhre, dann kam nichts mehr. Wir sahen uns erschreckt an. Was war jetzt wieder passiert, wer hatte uns den Wasserhahn abgedreht?
»Himmel!« stöhnte Manfred, »auch das noch! Das Wasser ist eingefroren!«
Unter dem Fenster zum Spülstein hin lief eine Röhre. Sie war mit Reif bedeckt und eiskalt. Ich brach in Tränen aus. Da mußte ich nun in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett kriechen, dem einzig warmen Ort im ganzen Haus, und dann gab es nicht einmal Wasser zum Waschen und zum Kaffeekochen!
»Hör auf zu heulen!« sagte Manfred, »wärst du nicht so sparsam, dann hätten wir das Feuer im Herd angelassen!«
»Hör auf zu schreien!« sagte ich, »wärst du ein treusorgender Hausvater, dann hättest du gestern abend das Wasser abgestellt! Ach, wenn ich an meinen Vater denke, wie er abends durch das Haus ging, alle Lichter ausmachte und das Wasser abdrehte! Ach ja, auf ihn konnte man sich verlassen!«
Manfred nahm einen Eimer und entfloh. Wenn er im Schlafanzug Wasser beim Nachbarn holen wollte, bitte, mir sollte es recht sein. Ich brachte inzwischen das Feuer im Küchenherd wieder in Gang. Eine Arbeit, die mir lange Zeit hindurch nur Schmutz und rußige Hände, aber kein Feuer eingetragen hatte. Jetzt beherrschte ich die hohe Kunst.
Der beleidigte Hausvater kam wieder, den Eimer voll Schnee. Wortlos füllte er den Schnee in einen Wassertopf, um ihn zu schmelzen. Der viele, weiße Schnee ergab aber nur wenig und noch dazu schmutziges
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